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Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
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behaupteten, sie hätten mich erst mehrere Wochen später als Verdächtigen registriert. Kurz nachdem die Berichterstattung angefangen hatte, standen ein Cop namens James Sudbury und Jerry Drivers Sidekick Jones vor meiner Haustür. Ich fand es interessant, dass Driver nicht persönlich aufkreuzte. Sie kamen ins Haus und sagten, sie wollten mich allein sprechen. Offensichtlich sollte meine Familie nicht hören, was sie zu sagen hatten. Meine Mutter, meine Schwester Michelle und meine Großmutter väterlicherseits sahen zu, wie ich Sudbury und Jones in Michelles Zimmer führte und die Tür zumachte. Sie setzten sich links und rechts neben mir auf die Bettkante.
    Sudbury habe ich da zum ersten Mal gesehen. Er hatte einen dicken Bauch, eine grässlich überkämmte Glatze und schwache, tränende Augen. Außerdem trug auch er diesen Siebziger-Jahre-Porno-Schnäuzer, der bei seinen Kollegen so beliebt war. Er sagte nicht viel, sondern saß meistens stumm da, während Drivers Kumpan mir Fragen stellte. Mit zuckersüßer Stimme und verlogenem Blick sagte Jones Sachen wie » Da ist etwas Schlimmes passiert, und wir brauchen wirklich deine Hilfe « . Statt mir Fragen zu den Morden zu stellen, blieb er bei Themen wie » Welches ist dein Lieblingsbuch in der Bibel, und warum? Hast du schon mal was von Anton LaVey gelesen? Wer ist dein Lieblingsautor? « Anscheinend konnte er sich nicht entscheiden, ob er hier eine Mordermittlung oder ein Lektüreprotokoll führen sollte. Natürlich kam irgendwann die unvermeidliche Frage. » Hast du mal was von Teufelsanbetern hier in der Gegend gehört? Oder von einem Plan zur Opferung von Kindern? « Ich fand es ekelhaft. Statt zu versuchen herauszufinden, wer die drei Kinder umgebracht hatte, befassten sie sich mit diesen kindischen Märchen und albernen Spielchen. Ein schönes Beispiel für die Verwendung Ihrer Steuergelder.
    Bevor sie gingen, machten sie ein Polaroidfoto von mir. Später erfuhr ich, dass sie es fast jedem in der Stadt gezeigt hatten, um damit einer bereits verängstigten Öffentlichkeit Flausen in den Kopf zu setzen. Vor Gericht leugneten sie, das Foto gemacht zu haben oder an diesem Tag überhaupt bei mir gewesen zu sein. Das mussten sie auch, denn Jones und Driver gehörten zu einer ganz anderen Behörde und hatten mit den Ermittlungen gar nichts zu tun. Als ich zu dieser Zeit im Gericht saß, konnten mich ihre dreisten Lügen nicht mehr schockieren, denn da hatte ich die beiden schon zu oft so erlebt.
    Dieser Besuch war der erste von vielen. Bald setzten sie mir jeden Tag zu. Sie kamen zum Haus meiner Eltern, zu Dominis Trailer, zu Jason. Es waren nicht immer dieselben zwei; sie arbeiteten mit einem rotierenden Team von ungefähr sechs Mann. Aber es waren immer dieselben Fragen, Tag für Tag. Bald war ziemlich klar, dass diese Clowns keinen Mörder suchten. Jerry Driver und seine beiden Kollegen Jones und Murray setzten dem West Memphis Police Department einen Floh ins Ohr, den sie dort nicht mehr loswurden. Statt eine ordentliche Mordermittlung durchzuführen und sich an das forensische Beweismaterial zu halten, fing die Polizei sofort an, hinter Geschichten von schwarz gewandeten Gestalten herzulaufen, die um ein Feuer tanzten und dämonische Beschwörungen sangen.
    Von dem Tag an redete alle Welt von nichts anderem. Die ganze Stadt war starr vor Angst, denn man war davon überzeugt, dass in Arkansas die Hölle losgebrochen sei. Jeder Redneck-Prediger in der ganzen Gegend schwadronierte über die » Endzeit « , in der wir angekommen seien. Man solle sich mit Gott versöhnen, denn sonst würde einen auch der Teufel holen. Man darf bei alldem nicht vergessen, dass es sich um einen Staat handelt, in dem einer von vier Erwachsenen über die Lesefähigkeit der fünften Klasse nie hinausgekommen ist. Unwissenheit bringt Aberglauben hervor. Die Leute glaubten diese Geschichten und halfen ihnen beim Wachsen. Ein Mann, dem sie mein Bild zeigten, schwor der Polizei, dass ich ihn hätte schweben lassen. Ein anderer schwor, die Polizei habe ihm gesagt, sie hätte Leichenteile unter meinem Bett gefunden. Solche Geschichten gingen als Ermittlungen durch.
    Die ständigen Schikanen eskalierten immer weiter. Nach wenigen Tagen kamen sie nicht mehr zu mir nach Hause, sondern brachten mich auf das Polizeirevier. Dort war es leichter für sie, guter Bulle und böser Bulle zu spielen. Einer von ihnen (meistens war es Sudbury, der aus dem Mund roch, als ob er morgens, mittags und abends

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