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Mein Leben Ohne Gestern

Mein Leben Ohne Gestern

Titel: Mein Leben Ohne Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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einsetzende Alzheimer-Krankheit. Sie haben recht, normalerweise halten wir Alzheimer für eine Krankheit, die nur ältere Leute befällt, aber zehn Prozent der an Alzheimer Erkrankten haben diese früh einsetzende Form und sind unter fünfundsechzig.«
    »Wie unterscheidet sich diese Form denn von der später einsetzenden?«
    »Gar nicht, nur dass bei ihrer Ursache im Allgemeinen einedeutliche genetische Verbindung besteht und sie sich weitaus früher äußert.«
    Deutliche genetische Verbindung. Anna, Tom, Lydia.
    »Aber wenn Sie mit Sicherheit nur wissen, was ich nicht habe, wie können Sie dann eindeutig sagen, dass es Alzheimer ist?«
    »Nachdem ich die Vorkommnisse, die Sie mir geschildert haben, und Ihre Krankengeschichte gehört habe und nachdem wir Ihre Orientierung, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Sprache sowie Ihr Erinnerungsvermögen getestet haben, bin ich mir zu fünfundneunzig Prozent sicher. Und da Ihre neurologische Untersuchung, Ihr Blut, Ihre Rückenmarksflüssigkeit oder Ihr MRT nichts weiter ergeben haben, fallen die anderen fünf Prozent weg. Ich bin mir sicher, Alice.«
    Alice .
    Der Klang ihres Namens durchdrang jede einzelne ihrer Zellen und schien ihre Moleküle hinter den Grenzen ihrer eigenen Haut zu zerstreuen. Sie beobachtete sich selbst aus der anderen Ecke des Raums.
    »Und was hat das nun zu bedeuten?«, hörte sie sich fragen.
    »Wir haben derzeit ein paar Medikamente zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit, die ich Ihnen gern verschreiben würde. Das erste ist Aricept. Es regt die cholinergische Funktion an. Das zweite ist Namenda. Es wurde erst in diesem Herbst genehmigt und scheint mir sehr vielversprechend. Keines der beiden ist ein Heilmittel, aber sie können das Fortschreiten der Symptome verlangsamen, und wir wollen so viel Zeit wie möglich für Sie herausholen.«
    Zeit. Wie viel Zeit?
    »Außerdem möchte ich, dass Sie zweimal täglich Vitamin E und einmal täglich Vitamin C, ein Baby-Aspirin und ein Statin nehmen. Sie haben keine klar erkennbaren Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, aber alles, was gut für das Herz ist, ist auch gut für das Gehirn, und wirwollen jedes Neuron und jede Synapse erhalten, die wir erhalten können.«
    Er schrieb diese Information auf einen Rezeptblock.
    »Alice, weiß irgendjemand in Ihrer Familie, dass Sie hier sind?«
    »Nein«, hörte sie sich sagen.
    »Okay, Sie werden es jemandem sagen müssen. Wir können das Tempo des kognitiven Verfalls, den Sie in letzter Zeit erleben, verlangsamen, aber wir können ihn weder aufhalten noch rückgängig machen. Es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit wichtig, dass jemand, der Sie regelmäßig sieht, weiß, was mit Ihnen los ist. Werden Sie es Ihrem Mann sagen?«
    Sie sah sich nicken.
    »Okay, gut. Dann reichen Sie diese Rezepte ein, nehmen Sie alles entsprechend den Anweisungen, rufen Sie mich an, wenn Sie irgendwelche Probleme mit Nebenwirkungen haben, und machen Sie einen Termin in sechs Monaten. Bis dahin können Sie mich anrufen oder mir eine E-Mail schicken, wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben. Außerdem möchte ich Ihnen empfehlen, Kontakt zu Denise Daddario aufzunehmen. Sie ist die Sozialarbeiterin hier, und sie kann Ihnen alles zu Hilfs- und Unterstützungsangeboten sagen. Schön, dann sehe ich Sie und Ihren Mann in sechs Monaten, und dann schauen wir, wie es Ihnen geht.«
    Sie forschte in seinen intelligenten Augen nach mehr. Sie wartete. Ihr wurde seltsam bewusst, dass ihre Hände die kalten Metalllehnen des Stuhls, auf dem sie saß, umklammerten. Ihre Hände. Sie war nicht zu einer ätherischen Ansammlung von Molekülen geworden, die in einer Ecke des Raums kauerten. Sie, Alice Howland, saß auf einem kalten, harten Stuhl neben einem freien Stuhl im Sprechzimmer eines Neurologen in der Abteilung für Gedächtnisstörungen im achten Stock des Massachusetts General Hospital. Und bei ihr war soeben die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert worden. Sie forschtein den Augen ihres Arztes nach mehr, aber sie fand nichts als Wahrheit und Bedauern.
    Der neunzehnte Januar. An diesem Tag geschah nie etwas Gutes.

    In ihrem Büro, bei geschlossener Tür, las sie sich den ADL-Fragebogen zur Beurteilung der Alltagsaktivitäten durch, den Dr. Davis ihr für John mitgegeben hatte. Von einem Informanten, NICHT dem Patienten auszufüllen stand fett gedruckt über der ersten Seite. Das Wort »Informant«, die geschlossene Tür und ihr hämmerndes Herz, all das beschwor eindringliche Schuldgefühle

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