Mein Leben Ohne Gestern
Zeitschriften und Kataloge in den Papierkörben im Wohnzimmer aus.
Sie las ein paar Seiten in The Week und knickte eine Seite in J Jill an einer Ecke um, auf der ein hübscher Pullover abgebildet war. Er gefiel ihr in Meerschaumblau.
Sie öffnete die Krimskramsschublade. Batterien, ein Schraubenzieher, Tesafilm, Klebeband, Uhu, Schlüssel, ein paar Ladegeräte, Streichhölzer und vieles mehr. Diese Schublade war vermutlich seit Jahren nicht mehr aufgeräumt worden. Sie riss die Schublade vollständig aus den Schienen und leerte den ganzen Inhalt auf dem Küchentisch aus.
»Ali, was tust du denn da?«, fragte John.
Verblüfft sah sie hoch zu seinem wirren Haar und seinen blinzelnden Augen.
»Ich suche nach …«
Sie sah auf die Gegenstände, die alle durcheinander vor ihr lagen. Batterien, Nähzeug, Uhu, ein Maßband, ein paar Ladegeräte, ein Schraubenzieher.
»Ich suche nach etwas.«
»Ali, es ist nach drei. Du machst einen Mordskrach hier unten. Kannst du nicht morgen früh danach suchen?«
Seine Stimme klang ungeduldig. Er hatte es nicht gern, beim Schlafen gestört zu werden.
»Okay.«
Sie lag im Bett und versuchte sich zu erinnern, wonach sie gesucht hatte. Es war dunkel, noch mitten in der Nacht. Sie wusste, dass sie schlafen sollte. John schlief sofort wieder ein und schnarchte bereits. Er hatte einen tiefen Schlaf. So wie sie früher auch. Aber sie fand keinen Schlaf. In letzter Zeit konnte sie nachts kaum noch durchschlafen, vermutlich da sie tagsüber oft ein Nickerchen hielt. Oder hielt sie tagsüber oft ein Nickerchen, da sie nachts nicht gut schlief? Sie war in einem Teufelskreis gefangen, einer positiven Feedback-Schleife, einer schwindelerregenden Fahrt, und sie wusste nicht, wie sie aussteigen sollte.
Oh, Augenblick. Ich weiß, wie ich einschlafen kann. Ich habe doch noch diese Pillen von Dr. Moyer. Wo habe ich sie nur hingetan?
Sie stieg aus dem Bett und ging die Treppe hinunter.
Heute fanden keine Besprechungen oder Seminare statt. Ihre Lehrbücher, Zeitschriften oder die Post in ihrem Büro interessierten sie nicht. Dan hatte für sie nichts zum Lesen fertig. Sie hatte nichts Neues in ihrem Posteingangsfach. Lydias tägliche E-Mail würde erst nach Mittag kommen. Sie sah der Bewegung vor ihrem Fenster zu. Autos schossen um die Biegungen des Memorial Drive, und Jogger liefen um die Biegungen des Flusses. Die Wipfel von Kiefern wogten in der stürmischen Herbstluft.
Sie zog alle Ordner aus dem Fach mit der Aufschrift HOW-LAND-NACH DRUCKE in ihrem Aktenschrank. Sie hatte weit über hundert Aufsätze veröffentlicht. Sie hielt diesen Stapel mit Forschungsartikeln, Kommentaren und Reviews, die Gedanken und Gutachten ihrer verstümmelten Karriere, in ihren Händen. Er wog schwer. Ihre Gedanken und Gutachtenhatten Gewicht. Zumindest früher einmal. Sie vermisste ihre Forschung, das Nachdenken und Reden darüber, ihre eigenen Ideen und Einsichten, die elegante Kunst ihrer Wissenschaft.
Sie legte den Stapel beiseite und nahm sich ihr Lehrbuch Vom Molekül zum Verstand aus dem Bücherschrank. Auch das wog schwer. Es war ihre stolzeste schriftliche Leistung, ihre Worte und Ideen vermischten sich darin mit Johns und schufen etwas Gemeinsames, das einzigartig in diesem Universum war; es informierte und beeinflusste die Worte und Ideen anderer. Sie war immer davon ausgegangen, dass sie irgendwann wieder etwas gemeinsam schreiben würden. Sie blätterte die Seiten durch, ohne sich festzulesen. Selbst diese Lektüre konnte sie nicht locken.
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Sie und John wollten am Ende des Tages zusammen laufen gehen. Bis dahin war es noch zu lange hin. Sie beschloss, allein nach Hause zu laufen.
Ihr Haus lag nur etwa fünf Meilen von ihrem Büro entfernt, und sie erreichte es rasch und problemlos. Und was jetzt? Sie ging in die Küche, um sich einen Tee zu kochen. Sie füllte den Teekessel mit Leitungswasser, stellte ihn auf den Herd und drehte die Herdplatte voll auf. Sie wollte sich einen Teebeutel nehmen. Die Blechdose, in der sie die Teebeutel aufbewahrte, stand nirgends auf dem Küchentresen. Sie öffnete den Küchenschrank, in dem sie die Kaffeebecher aufbewahrte. Stattdessen starrte sie auf drei Regale mit Tellern. Sie öffnete den Schrank rechts davon, wo sie Reihen mit Gläsern erwartete, aber stattdessen enthielt er Schalen und Becher.
Sie nahm die Schalen und Becher aus dem Schrank und stellte sie auf den Küchentresen. Dann nahm sie die Teller und stellte
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