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Mein Leben Ohne Gestern

Mein Leben Ohne Gestern

Titel: Mein Leben Ohne Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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unterscheiden.«
    »In Ordnung.«
    »Alice, erzählen Sie mir von Ihrer Selbsthilfegruppe«, sagte Dr. Davis.
    »Wir sind zu viert. Wir treffen uns einmal die Woche für ein paar Stunden reihum bei einem von uns zu Hause, undwir mailen uns jeden Tag. Es ist wunderbar, wir reden über alles.«
    Dr. Davis und diese Frau in dem kleinen Raum stellten ihr heute jede Menge bohrender Fragen, Fragen, die darauf abzielten, das genaue Ausmaß der Zerstörung in ihrem Kopf zu messen. Aber niemand verstand besser als Mary, Cathy und Dan, was in ihrem Kopf noch lebendig war.
    »Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie die Initiative ergriffen haben und die Lücke, die wir in unserem Hilfsprogramm hier offensichtlich haben, ausgefüllt haben. Falls ich neue Patienten mit einer früh einsetzenden Demenz oder einer Demenz im Frühstadium bekommen sollte, darf ich ihnen Ihre Kontaktdaten weitergeben?«
    »Ja, bitte tun Sie das. Und Sie sollten ihnen auch von DASNI erzählen, dem Dementia Advocacy and Support Network International. Das ist ein Online-Forum für Leute mit Demenz. Dort habe ich über ein Dutzend Leute kennengelernt, aus den ganzen USA und aus Kanada, England und Australien. Na ja, ich habe sie nicht wirklich kennengelernt, es ist alles online, aber ich habe das Gefühl, als würde ich sie – und sie mich – besser kennen als viele Leute, die ich mein Leben lang gekannt habe. Wir verschwenden keine Zeit, weil wir davon nicht genug haben. Wir reden über das, was wirklich wichtig ist.«
    John rutschte auf seinem Platz hin und her und wippte mit einem Bein.
    »Danke, Alice. Ich werde unser Standardinformationspaket um diese Webseite ergänzen. Wie steht es mit Ihnen, John? Haben Sie schon mit unserer Sozialarbeiterin hier gesprochen, oder sind Sie zu einem Treffen der Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige gegangen?«
    »Nein. Ich habe ein paarmal mit den Ehepartnern der Leute aus ihrer Selbsthilfegruppe Kaffee getrunken, aber sonst nichts.«
    »Sie sollten sich vielleicht überlegen, ob Sie selbst Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Sie sind nicht derjenige mit der Krankheit, aber Sie leben auch damit, indem Sie mit Alice zusammenleben, und es ist nicht leicht für pflegende Angehörige. Ich sehe jeden Tag, was es den Familienangehörigen abverlangt, die zu mir kommen. Wir haben hier Denise Daddario, die Sozialarbeiterin, und die Selbsthilfegruppe des MGH für pflegende Angehörige, und ich weiß, dass die Alzheimer-Gesellschaft von Massachusetts viele örtliche Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige hat. Die Mittel sind da für Sie, also zögern Sie nicht, sie in Anspruch zu nehmen, wenn Sie sie brauchen.«
    »Gut.«
    »Apropos Alzheimer-Gesellschaft, Alice, ich habe eben deren Programm für die Jahreskonferenz für Demenzpflege erhalten, und ich habe gesehen, dass Sie die Plenarpräsentation zur Eröffnung geben«, sagte Dr. Davis.
    Die Jahreskonferenz für Demenzpflege war ein landesweites Treffen für Fachleute, die mit der Pflege von Demenzkranken und ihren Familien zu tun hatten. Neurologen, Allgemeinärzte, Geriater, Neuropsychologen, Krankenschwestern und Sozialarbeiter kamen alle zusammen, um Informationen über Möglichkeiten der Diagnose, Behandlung und Patientenfürsorge auszutauschen. Es hörte sich so ähnlich an wie Alice’ Selbsthilfegruppe und das DASNI , aber größer und für diejenigen ohne Demenz. Das diesjährige Treffen würde in Boston stattfinden.
    »Ja«, sagte Alice. »Ich wollte Sie ohnehin fragen – werden Sie auch da sein?«
    »Aber ja, natürlich, ich werde in der ersten Reihe sitzen. Wissen Sie, ich bin von denen noch nie gebeten worden, eine Plenarpräsentation zu halten«, sagte Dr. Davis. »Sie sind eine tapfere und bemerkenswerte Frau, Alice.«
    Sein Kompliment, aufrichtig und nicht herablassend, wargenau der Auftrieb, den ihr Ego brauchte, nachdem es heute von so vielen Tests rücksichtslos herumgeschubst worden war. John spielte mit seinem Ring. Er sah sie an, mit Tränen in den Augen und einem verkniffenen Lächeln, das sie verwirrte.

MÄRZ 2005
    Alice stand auf dem Podium, mit ihrer getippten Rede in der Hand, und sah auf die Leute, die im großen Ballsaal des Hotels versammelt saßen. Früher konnte sie ein Publikum mit dem Augenmaß abschätzen und mit fast übersinnlicher Genauigkeit sagen, wie viele Leute anwesend waren. Das war eine Fähigkeit, die sie inzwischen nicht mehr besaß. Es waren viele Leute da. Die Organisatorin der Konferenz, wie immer sie hieß,

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