Mein Leben ohne Limits
bei mir hatte nicht nur die Fantasie Schuld. Meinem Körper fehlte ja die Standardausrüstung! Aber meine Eltern brachten mir bei, mich nicht auf das zu konzentrieren, was mir fehlt, sondern auf das, was ich habe und was ich erreichen kann.
„Hab große Träume, Nicky“, sagten sie. „Lass deine Ängste dich nicht davon abhalten, sie zu verwirklichen. Deine Zukunft bestimmst du, nicht die Angst. Such dir das Leben aus, das du führen willst, und dann arbeite darauf hin.“
Inzwischen habe ich in mehr als neunzehn Ländern der Erde vor großem Publikum gestanden. Ich habe meine Botschaft der Überwindung und Hoffnung in Stadien und Arenen voller Menschen erzählt, in Turnhallen, Kirchensälen und Gefängnissen. Niemals wäre ich so weit gekommen, wenn meine Eltern mir nicht geholfen hätten, Ängste wahrzunehmen und zu überwinden.
DER AUSTRALISCHE ROBINSON
Zugegeben: Wir werden die weltweite Sportlandschaft wohl nie so prägen wie Michael Jordan. Aber wie Mike können wir Angst zu unserem Motivationswerkzeug machen und ihre Energie nutzen, um über uns hinauszuwachsen.
Laura Gregory war eine gute Schulfreundin von mir. Auf Laura war Verlass: Sie sagte immer genau, was sie dachte. Drum herumreden war nicht ihr Ding. In unserem ersten gemeinsamen Schuljahr fragte sie irgendwann: „Hier in der Schule hast du einen Einzelfallhelfer. Aber wer kümmert sich eigentlich um dich, wenn du zu Hause bist?“
„Meine Eltern natürlich“, antwortete ich, wusste aber nicht genau, worauf sie hinauswollte.
„Und das stört dich nicht?“
„Dass meine Eltern mir helfen? Wieso denn?“
„Na ja, ich meine beim Anziehen, Duschen oder wenn du mal auf die Toilette musst“, erklärte Laura. „Was ist mit deiner Menschenwürde? Findest du es nicht komisch, dass du das nicht alleine kannst?“
Laura wollte mich bestimmt nicht verletzen. Sie hatte großen Wissensdurst und interessierte sich deswegen für mein Leben. Aber ihr Finger lag genau in der Wunde. Eine meiner größten Ängste war immer, dass ich zeitlebens nur eine Last sein würde. Der Gedanke, meinen Eltern und meinen Geschwistern zu viel zuzumuten, war ständig in meinem Kopf. Manchmal wachte ich nachts auf und wurde von der Angst geplagt, Aaron und Michelle ein Klotz am Bein zu sein, wenn unsere Eltern einmal nicht mehr wären.
Für mich war diese Angst sehr real. Manchmal wurde ich schier verrückt vor Abhängigkeitsvisionen. Lauras direkte Frage war der Anstoß für mich, einen wichtigen Schritt zu gehen: Ich ließ mich nicht mehr von der Angst quälen, sondern motivieren . In meinem Unterbewusstsein war das Thema Abhängigkeit immer präsent gewesen, aber nach diesem Tag knöpfte ich es mir bewusst vor.
Wenn ich mich wirklich ins Zeug lege, wie unabhängig kann ich werden? Motiviert von der Angst, eine ewige Last zu sein, schuf ich diese Leitfrage – obwohl ich damals noch gar nicht wusste, was eine Leitfrage ist. Die Angst gab mir Energie und Feuereifer. Ich muss selbstständiger werden. Aber wie?
Immer wieder sagten mir meine Eltern, dass sie für mich da seien. Ihnen mache das nichts aus, mich hochzuheben, herumzutragen, anzuziehen oder bei sonst irgendetwas behilflich zu sein. Aber mich wurmte es, nicht allein trinken zu können oder von jemandem auf den Toilettensitz gehoben werden zu müssen. Wie jeder andere wollte ich mit zunehmendem Alter auch mehr Unabhängigkeit. Ich wollte selbst für mich sorgen. Und nun hatte ich meine Angst zum Motor gemacht.
Einer der Gedanken, die mich antrieben, war: Ich wollte alles, nur nicht meinem Bruder Aaron eine Bürde sein, wenn unsere Eltern nicht mehr konnten. Wenn irgendjemand ein normales Leben verdient hatte, dann mein armer kleiner Bruder. Sein ganzes Leben musste er mir helfen, mit mir auskommen und zusehen, wie ich die meiste Aufmerksamkeit bekam. Wir waren ihm ein normales Leben schuldig. Er hatte zwar Arme und Beine, aber gewissermaßen doch den Kürzeren gezogen.
Die Entscheidung, selbstständiger zu werden, war auch eine Frage von Selbstschutz. Laura hatte mich daran erinnert, dass ich auf die Freundlichkeit und die Geduld von anderen Menschen angewiesen war. Ich wusste, dass ich nicht ein Leben lang darauf bauen konnte. Außerdem hatte ich auch meinen Stolz.
Ich bin durchaus in der Lage, eine Familie zu gründen, und würde nie wollen, dass meine Frau mich herumtragen muss. Irgendwann möchte ich einmal ein guter Vater sein und meine Familie versorgen. Deswegen dachte ich: Ich muss aus dem
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