Mein Leben ohne Limits

Rollstuhl raus.
    Die Angst kann dein ärgster Feind sein – in diesem Fall war sie mein bester Freund. Entschlossen verkündete ich meinen Eltern, dass ich in Zukunft mehr für mich selbst verantwortlich sein wollte. Sie reagierten natürlich zuerst besorgt.
    „Nick, das musst du doch nicht. Wir kümmern uns darum, dass du immer gut versorgt bist“, sagten sie.
    „Mom, Dad, ich muss das tun. Für mich und für euch. Also lasst uns uns zusammensetzen und Wege finden“, erwiderte ich.
    Und das taten wir. Unsere Tüftelei erinnerte mich irgendwie an die Verfilmung von Der schweizerische Robinson. Nachdem die Familie Robinson Schiffbruch erlitten hat, setzt sie sich zusammen und denkt sich die verrücktesten Apparate aus, um zu überleben. Genau so machten wir uns ans Werk, um mir das Inseldasein zu erleichtern.
    Meine Mom, die Krankenschwester, und mein Dad, der Heimwerker, erfanden zuerst eine Methode, wie ich allein duschen und die Haare waschen konnte. Mein Vater ersetzte die runden Ventile am Duschhahn mit Hebeln, die ich mit der Schulter betätigen konnte. Meine Mutter kaufte einen Seifenspender mit Fußpumpe, den sonst Ärzte zur Vorbereitung auf eine Operation verwenden. Wir bauten ihn so um, dass ich damit eigenständig Duschgel und Shampoo auf mir verteilen konnte.
    Dann dachten sich mein Dad und ich einen Plastikhalter für die elektrische Zahnbürste aus. Ich konnte sie mit einem Schalter ein- und ausschalten und mir dann die Zähne putzen, indem ich mich davor hin- und herbewegte.
    Ein weiterer Wunsch von mir war das selbstständige Anziehen. Also nähte mir meine Mutter Klettverschlüsse in die Unterhosen ein. Damit konnte ich sie allein aus- und anziehen. Weil ich mit Hemdsknöpfen seit jeher auf Kriegsfuß stehe, kauften wir Shirts, die ich mir über den Kopf werfen und in die ich mich dann hineinschlängeln konnte.
    Dank meiner Angst gingen wir drei auf große Mission. Es war spannend und machte Spaß, sich neue Hilfsmittel auszudenken. Fernbedienungen, Mobiltelefone, Computertastaturen oder auch Fernöffner für die Garage sind ein wahres Geschenk für mich, weil ich sie mit dem Fuß bedienen kann.
    Wir hatten natürlich nicht nur Hightech-Einfälle. Ich lernte, wie ich mit der Nase den Code für unsere Alarmanlage eintippen konnte, oder klemmte mir einen Golfschläger zwischen Kinn und Schulter, um das Licht einzuschalten oder ein Fenster zu öffnen.
    Ich gehe aus gutem Grund nicht ins Detail, aber natürlich fanden wir auch eine grandiose Lösung für den Toilettenbesuch. Auf YouTube kannst du einige meiner Methoden und Apparate bestaunen. Keine Angst, die Toilette haben wir nicht gefilmt.
    Ich bin dankbar dafür, dass Laura mich auf meine Würde angesprochen hat. Und ich bin dankbar für meine Angst vor der Abhängigkeit, denn sie hat mich motiviert, unabhängiger zu werden. Dass ich plötzlich alltägliche Dinge allein bewältigen konnte, machte mich selbstbewusster. Ich wäre wohl nie so weit gekommen, wenn ich die negativen Emotionen nicht in positive Energie umgekehrt hätte.
    Du kannst das auch. Hinter deinen Ängsten steckt eine Unmenge von Energie! Du kannst sie anzapfen und deinen Träumen ein Stückchen näherkommen.
    KLEINE LIST
    Bevor eine Angst dich lähmt, bekämpfe sie mit einer anderen. Wovor fürchtest du dich am meisten? Nehmen wir an, dir graut davor, vor einer großen Zuschauermenge zu stehen und plötzlich einen Blackout zu haben. Mit dieser Angst kann ich mich gut identifizieren. Und nun stell dir vor, wie der schlimmste Fall eintritt: Du vergisst deinen Text und musst unter dem Gelächter der Leute von der Bühne runter. Hast du das Bild vor Augen? Gut. Und nun stell dir vor, wie du die Rede deines Lebens hältst und Standing Ovations bekommst.
    Entscheide dich für das zweite Szenario. Speichere es fest in deinem Gehirn ab und rufe es jedes Mal auf, wenn du vor Leute treten musst. Lass die Buhrufe hinter dir und lande gleich beim donnernden Applaus. Bei mir funktioniert das!
    Eine weitere Methode ist, in deinem Gedächtnis nach Erinnerungen zu kramen, wo du bereits Hindernisse überwunden und Ängste durchgestanden hast. Wenn ich zum Beispiel nervös bin, weil ich einer berühmten Person wie Oprah Winfrey gegenübertreten soll, gönne ich mir kurz eine Portion Mut aus meinem Gedächtnis.
    Du hast Angst vor Oprah Winfrey? Was soll sie denn machen, dir Arme und Beine abschneiden? Moment mal, du kommst schon mehr als fünfundzwanzig Jahre ohne Gliedmaßen aus und hast die