Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
noch einen weiteren Grund, weshalb ich umgehend nach Hause wollte. Von dem ahnte Hedwig jedoch nichts und das war auch besser so.
Lisa hatte mich angerufen. In meiner Geschäftspost sei ein ganz eigenwilliger Brief gewesen. Ein anonymer Drohbrief sozusagen. Der Text war knapp und simpel. Lisa las ihn mir am Telefon vor: »Die Zeichen stehen auf Sturm. Sehen Sie sich vor.«
Lisa war ganz aufgeregt gewesen und wollte sofort die Polizei einschalten. Ich überzeugte sie davon abzuwarten, bis ich wieder zu Hause war und mir den Brief ansehen konnte.
Hedwig war auch noch am nächsten Tag, dem Tag unserer Abreise, sehr übellaunig und sprach bei unserem Abschied im Gasthof kein Wort mit mir. Ich scherte mich nicht weiter darum. Ich hatte andere Sorgen als eine beleidigte Haushälterin.
11
Nach fünf erquicklichen Tagen verließen Hedwig und ich Ockersdorf an einem Montag. Hedwigs Augen waren leicht gerötet, als sie aus dem Gasthof trat und zu mir ins Auto stieg. Sie schaute mich nicht an und ich unterließ es, ihr irgendwelche Fragen zu stellen. Hannes Larentius und sein Schwiegersohn Hugo Peddersen winkten uns zum Abschied nach und Olga lief noch bis zur Straße kläffend hinter dem Auto her. Als wir durch Bremsnitz fuhren, stieg ich an dem kleinen Eckladen aus, um mich von Frau Maler zu verabschieden. Sie war mir mit ihrer Freundlichkeit und Offenheit ans Herz gewachsen.
Das Wetter war uns zunächst wohl gesonnen, und wir fuhren mit offenem Verdeck. Kurz vor Hannover zog sich allerdings eine Unheil verkündende Gewitterfront zusammen. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf der Autobahn auf dem Standstreifen zu halten und das Verdeck des TT zu schließen. Es war höchste Zeit, denn kaum fuhr ich wieder an, prasselten dicke Tropfen auf uns herab, die sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Sturzregen verdichteten. Die Scheibenwischer kamen gegen die windgepeitschte Last des Regens nicht an, weshalb wir kaum etwas sahen und nur noch knapp achtzig Kilometer die Stunde fuhren. Schließlich entlud sich direkt über uns ein Gewitter, dessen archaische Gewalt Hedwig im Beifahrersitz in sich zusammenkriechen ließ. Ich erklärte Hedwig die Wirkungsweise eines Faradaykäfigs und dass das Auto ein ebensolcher sei.
Hedwig waren meine Erklärungen ziemlich einerlei. Ihr saß die Angst im Genick und so fuhren wir die nächstbeste Tankstelle an. Im Bistro warteten wir bei einem Kaffee und einem Stück Sandkuchen das Unwetter ab.
Die restliche Fahrt über war Hedwig schweigsam und bedrückt. Ich fragte nicht, weshalb, und sie sagte nichts.
Wir kamen am frühen Abend in Hamburg an. Das Unwetter hatte sich längst gelegt. Lisa war bereits nach Hause gegangen, hatte mir jedoch den malvenfarbenen Briefumschlag mit dem malvenfarbenen Briefpapier und den zwei ominösen Sätzen »Die Zeichen stehen auf Sturm. Sehen Sie sich vor.« auf meinem Schreibtisch im Arbeitszimmer hinterlegt.
Von der Fahrerei im Dauerregen erledigt, setzte ich mich mit einem Glas Wein und dem Brief auf die Terrasse. Die Temperaturen waren durch das Gewitter gefallen, so dass ich im wohl temperierten, lichten Schatten meines Apfelbaumes überlegte, was zu tun sei. Ich konnte Knut Meiser anrufen und ihn beauftragen herauszubekommen, von wem dieser Brief stammte. Ich konnte zur Polizei gehen. Und als dritte Alternative konnte ich den Brief ignorieren.
Ich entschloss mich kurzerhand, den Brief zu ignorieren. Das mag Ihnen vielleicht merkwürdig, gar eigenwillig vorkommen, doch mir schien dieser Drohbrief so absonderlich und absurd, dass ich ihn einfach nicht ernst nehmen konnte. Wer sollte mir auch einen schicken?
Laura Hesselbach? Die naive Kuh mochte mich und hatte kaum Bedarf, mir zu nahe zu treten. Sarah Baerenbaum? Die wusste nicht, dass ich wusste, dass sie eine von zwei Geliebten meines Gatten gewesen war. Mithin hatte sie keinen Grund, mir zu drohen oder mich zu verunsichern. Es sei denn, sie wollte mir eins auswischen, so aus Jux und Tollerei. Und Schuhriegel? Der war Polizist und würde sicherlich nicht zu solch illegalen Methoden neigen, um mich einzuschüchtern.
Ich trank meinen Wein und ließ mich vom Rascheln der Blätter, durch die ein sanfter Wind fuhr, einlullen. Gelegentlich schilpten ein paar Vögel durch die Stille der Terrasse. Ich lehnte mich in meinem Strandkorb zurück und träumte mich meiner ehelosen Zukunft entgegen. Kurz vor elf Uhr wurde es merklich kalt und ich verkroch mich in mein Bett.
Am nächsten Morgen empfing mich eine
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