Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
paar Tagen eine dieser verlassenen Frauen vor mir sitzen. Glauben Sie mir.«
»Und was hat die Ihnen erzählt?« Meiser sah mich neugierig an.
»Das Übliche eben. Sie glaubte achtzehn Jahre lang, ihre Ehe sei wunderbar und es gäbe nichts auszusetzen. Am Ostersonntag schenkte ihr ihr Gatte noch einen Ring, fuhr am Nachmittag zur Tankstelle, um angeblich eine Zeitung zu kaufen, und kam an diesem Tag nicht wieder nach Hause.«
»Das ist ja verrückt«, sagte Meiser kopfschüttelnd. »Wenngleich ich in solchen Fällen auch schon recherchiert habe.«
»Sehen Sie. So ungewöhnlich ist es nämlich nicht. Darüber hinaus kommt es aber noch viel bunter. Der Mann kam auch Ostermontag nicht nach Hause. Und als die Frau am Dienstagabend aus der gemeinsamen Firma, in der der Gatte ebenfalls nicht erschienen war, in die gemeinsame Wohnung kam, da fand sie ihren Mann vor. Er hatte sich mit sämtlichen Koffern bewaffnet, die sie besaßen, und zog aus. Einfach so. Packte seine Sachen. Kommentarlos. Ohne eine Erklärung. Und sie stand wie eine Vollidiotin daneben.
Tja, seitdem hat sie ihn nie wiedergesehen. Nicht in der Firma, nicht in der Wohnung und auch nicht zufällig in irgendeinem Restaurant oder auf dem Golfplatz. Der Mann ist seit jenem Dienstag spurlos verschwunden und nur noch über seinen Anwalt erreichbar.«
»Hat sie die Scheidung eingereicht?«
»Ja, hat sie. Nutzt ihr aber im Moment auch nicht viel. Er hat ihr echt böse mitgespielt, sie mit der Firma, die immerhin zweiundsechzig Angestellte beschäftigt, sitzen gelassen und will nun noch eine Abfindung von ihr. Das ist doch pervers, oder?«
Meiser nickte und starrte gedankenschwer in sein Weinglas. »Und deshalb hat Lizzie Angst vor Männern?«
Ich war etwas perplex. »Wieso Lizzie?«
»Na, Sie haben mir das doch wegen Lizzie erzählt, oder?«
»Ach so, ahm, ja«, stotterte ich, aus dem Konzept gebracht. »Ich wollte eigentlich eher so ganz pauschal erklären, dass Frauen in einem gewissen Alter schlechte Karten haben.«
Meiser und ich philosophierten noch eine Weile über alte Männer und junge Mädchen und waren uns einig, dass Männer wie Frauen gleichermaßen eine Scheibe hatten.
Beziehungen zwischen älteren Männern und jungen Mädels, dozierte Meiser, wären für ihn eine Art steinzeitliches Tauschgeschäft. Ich nickte. Das sah ich ebenso.
»Der Deal besagt, ich gebe dir mein Geld, du stellst mir deine Silikonimplantate zur Verfügung«, fuhr Meiser fort. Ich stutzte einen Lidschlag lang. Meiser grinste mich an. »Ganz bestimmt braucht man Silikon nicht zum regen Gedankenaustausch, nicht wahr?« Er grinste immer noch. »Zumal die Brustimplantate der meisten Mädels mehr Gewicht besitzen als ihr Gehirn, was solche Männer aber naturgemäß nicht weiter bekümmert, denn wer will schon einen intellektuellen Disput mit Frauen führen, die sich selbst als Luder oder Schlampen bezeichnen und das auch noch toll und originell finden?«, fragte Meiser und ich fragte mich das auch.
Es mochte gegen halb elf Uhr sein und Meiser wollte gerade gehen, als es an meiner Haustür schüchtern klingelte. Sie wissen schon, jenes Klingeln, das sanft anhebt, kurz die optimale Lautstärke erreicht und dann schlagartig verebbt, als würde sich derjenige, der die Klingel betätigte, für den Lärm, den er damit um seine Person entfachte, in Grund und Boden schämen. Entschlossen, zu dieser Unzeit niemanden mehr zu empfangen, ging ich über die Terrasse nach vorn, lugte neugierig um die Hausecke und schaute, wer mich so spät aufsuchte.
Es konnte eigentlich nur Lizzie sein, doch im Schein der Außenbeleuchtung erspähte ich als Erstes einen dunkelroten Schalenkoffer, hinter dem sich die Silhouette eines groß gewachsenen, schlanken Mannes mit schlohweißem Haar abzeichnete. Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass Hannes Larentius vor meiner Haustür stand.
»Herr Larentius, welche ein Überraschung und Freude!«, rief ich und eilte flugs um die Ecke auf den Mann zu, der seinerseits mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf mich zukam.
»Oh, meine Gnädigste, verzeihen Sie, dass ich unangemeldet und zumal zu einer solch späten und ungewöhnlichen Uhrzeit bei Ihnen auftauche. Aber ich bin heute aus Ockersdorf gekommen und bleibe über das Wochenende in Hamburg. Ich dachte, es würde Sie und Hedwig freuen, wenn ich Ihnen als Erstes, also bevor ich in mein Hotel gehe, meine Aufwartung machte«, erklärte er, nahm meine Hand, verbeugte sich und küsste sie,
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