Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
hing unsere alte Gartendecke aus dem Strandkorb heraus, unter der wiederum zwei Füße hervorlugten. Einer steckte in einem dunkelbraunen Herrenschuh, derweil der andere nur mit einer dunkelbraunen Socke bekleidet war.
Neugierig, wer von unseren Bekannten auf der Terrasse übernachtete, war Hedwig mit Eule auf den Strandkorb zugeschlichen. Bis zum Hals in die raue Wolldecke eingemummelt, schlief dort Hannes Larentius, ab und an einen leichten Seufzer ausstoßend, der durchaus etwas Schnarchendes an sich hatte. Eule leckte Larentius aufgeregt den sockenbewehrten Fuß, und Hedwig hatte Mühe, die freudig erregte Hündin von dem Korb wegzuziehen, um den Mann nicht zu wecken.
Hedwig musste sich erst einmal auf einen der Teakholzstühle setzen. Sie benötigte einen Moment, um sich zu sammeln und das Zittern ihrer Beine sowie das fast schmerzhafte Pochen ihres Herzens in den Griff zu bekommen.
Während Hedwig mir diese Geschichte erzählte, hatte ich sie zunächst nur irritiert gemustert. Die alte Frau wirkte anders als gewöhnlich, doch ich konnte nicht ausmachen, weshalb.
Dann erklärte sie mir jedoch, dass sie nie wieder ein neues Kleid kaufen würde. Mit so einem feinen fliederfarbenen Kleid könne sie ja weder Vespa fahren noch hüpfen. Da erst ging mir ein Licht auf und ich registrierte, dass Hedwig ihr Seidenkleid aus Jena trug, statt eines ihrer dunkelblauen Alltagskleider und dass sie durch die freundliche Farbe weniger streng und bedeutend liebenswürdiger wirkte.
Ich lächelte, derweil Hedwig vor sich hin schimpfte, ihr fehle an diesem Konfektionsmodell der robuste geflochtene Gürtel, auf den sie das Futteral für das Messer ziehen könne. Und komfortabel sei so ein Seidenkleid auch nicht. Auf der Vespa habe sie Blut und Wasser geschwitzt, als sie zum Brötchen- und Mohrrübenkaufen unterwegs gewesen war, weil sie bei jedem Anfahren oder Bremsen das Gefühl hatte, sie würde das Kleid beschmutzen oder gar irgendwo hängen bleiben und es zerreißen. Und ohne ihr Messer fühle sie sich für den Alltag nicht gewappnet.
Ich schlug vor, einen hellen Ledergürtel zu kaufen. Der würde das Gewicht des Messers allemal verkraften. Hedwig nickte ein energisches »Wenn du meinst«, so dass ihr weißer Haarkranz aufgeregt um den Kopf hüpfte. Zugleich zupfte sie nervös an den Fingern, dergestalt anzeigend, dass sie mit ihren Gedanken längst nicht mehr bei ihrem Kleid oder Gürtel weilte. Wo oder bei wem ihre Gedanken waren, muss wohl nicht weiter erläutert werden.
Der Anblick von Hannes Larentius hatte meine siebzigjährige Haushälterin Hedwig zu einem spätpubertären Nervenbündel gemacht, das doch tatsächlich noch einmal nach Hause gelaufen war und sich das neue, lavendelfarbene Kleid übergestreift hatte.
Außerdem roch Hedwig merkwürdig, so zwischen frisch gewaschen und abgestandenem Blumenwasser. Ich vermutete, dass Hedwig wagemutig ihr 4711 über sich ausgeschüttet hatte, jenes berühmte Eau de Cologne, das in den fünfziger Jahren auf keiner Frisierkommode gefehlt hatte und das, solange ich denken konnte, auf einem Schränkchen in Hedwigs Bad gestanden hatte. In Ermangelung irgendwelcher Anlässe hatte sich die bauchige Flasche mit dem blaugrünen Etikett und der goldenen Schrift bis heute gehalten. Leider roch das Eau de Cologne inzwischen eher ranzig.
Derweil Hedwig also ihre Mohrrüben putzte, kochte ich mir einen Milchkaffee und setzte mich zu ihr. Es war Samstag und weder sie noch mich drückte ein Termin.
Gegen halb zehn betrat Hannes Larentius etwas derangiert, doch bestens gelaunt unsere Küche und begrüßte erst Eule, die unter dem Küchentisch lag, mit einem Klaps, mich mit einer angedeuteten Verbeugung und schließlich Hedwig mit einem überschwänglichen Handkuss, zu dem er sich allerdings nicht verbeugte, wie es gemeinhin üblich war und wie er es bei der einen oder anderen Gelegenheit in Ockersdorf getan hatte, sondern er führte Hedwigs Hand hoch an seine Lippen. Larentius entschuldigte sich wortreich. Sein Ischiasnerv habe sich in dem doch ungewohnt kühlen und beengten Strandkorb gemeldet und nun sei er etwas steif. Mit vorgebeugtem Rücken stakste er auf einen Stuhl zu, auf den er sich niederließ. Den Rollenkoffer hatte er in der Terrassentür stehen gelassen.
Meiser und Larentius hatten noch bis drei Uhr morgens auf der Terrasse gesessen. Die Hündin habe sich im Verlauf der Nacht als echter Schoßhund entpuppt, der immer wieder Anlauf nahm, um auf Larentius‘ Oberschenkel zu
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