Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
wie das Nobelrestaurant Dolce Vita , besaß aber den Vorzug, dass man sich Liegestühle und Sonnenschirme ausleihen konnte, um sich auf dem Bootssteg von einer kühlen Alsterbrise erfrischen zu lassen. Selbstverständlich mit dem passenden Getränk in der Hand. Ich bevorzugte eisgekühltes Tonic, meine Freundin Lizzie Campari und so manche Mutter und Hausfrau Champagner oder Prosecco. So geschah es mitunter, dass zu spätnachmittäglicher Stunde die eine oder andere Dame bestens gelaunt, aber kaum mehr fahrtüchtig den gastlichen Sommersteg verließ. Festgeklammert an den Arm einer Freundin und angestrengt darum bemüht, das heimtückische Schlingern der unbestrumpften Beine nicht in gefährliche Bahnen gleiten zu lassen. Auch Lizzie und ich hatten das bereits mehrmals hinter uns gebracht. Seit ihrer Trennung von ihrem Lebensgefährten Stephan vor sechs Monaten trank meine Freundin mitunter mehr, als ihr gut tat.
Kurz nach drei schwebte Lizzie also in einem hinreißenden Trägerkleid ein. Dunkelgrün, mit einem schmalen Oberteil und einem weiten, die Knöchel umspielenden Rock.
»Hallo, Claire. Super Tag, was?« Lizzie warf sich schwungvoll in einen Korbsessel, der unter so viel Verve verdächtig ächzte.
»Guck dir das mal an.« Sie hatte unter die Sitzfläche gegriffen und hielt nun ein Stück loses Holz in der Hand. Behände sprang sie auf, drehte den Stuhl um und rief genervt nach dem Ober, der am übernächsten Tisch Eiskaffee servierte. Der Mann war um die sechzig und kam mit seinem leeren Tablett zu uns herübergezockelt, um sich die Bescherung anzusehen.
»Mann«, Lizzie blickte auf das Namensschild an der schmalen Männerbrust, »Herr Sulzer, Sie können doch unmöglich so einen Stuhl hier stehen lassen. Wenn ich auch nur zehn Kilo mehr auf die Waage bringen würde, wäre der glatt unter mir zusammengebrochen. Das ist doch lebensgefährlich. Stellen Sie sich vor, eine Achtzigjährige fällt mit dem Ding um und bricht sich die Knochen.«
Lizzie kümmerte sich nie darum, wie viele Leute sie umgaben und mithörten. Sie drosselte ihre kräftige Stimme nicht eine Spur und der halbe Bootssteg konnte das Gespräch ungehindert verfolgen.
Der Ober war ganz alte Schule. Er verbeugte sich vor Lizzie, entschuldigte sich vielmals für das Versäumnis und versprach, umgehend einen anderen Stuhl zu schicken.
Der Ober war sogar besonders alte Schule. Bevor er endgültig ging, verbeugte er sich nochmals galant in unsere Richtung und verschwand dann durch die Tische hindurch Richtung Restaurant. Nicht etwa hektisch und eilfertig, nein, schlendernden Schrittes, mit dem Kopf mal links, mal rechts dem einen oder anderen Gast zunickend.
Lizzie blickte ihm fassungslos hinterher.
»Hat der sie noch alle?«
»Lizzie, der Mann ist mindestens sechzig, der kann nicht den ganzen Tag wie ein trainierter Endzwanziger über den Bootssteg hüpfen. Dafür ist er überaus höflich und zuvorkommend.«
»Na und? Der ist doch viel zu lahm und eine Zumutung.«
»Jetzt sei mal nicht so unsozial.«
»Ist doch wahr. Ich bezahle hier doch nicht für einen Handkuss oder dafür, in einem kaputten Stuhl zu hocken, der jederzeit zusammenbrechen kann. Bei mir wäre der längst rausgeflogen.«
»Das glaubst du doch selbst nicht. Du stellst doch sogar einen stadtbekannten Alkoholiker ein, weil du glaubst, ausgerechnet du kriegst ihn dazu, ein halbwegs normales Leben zu führen.«
»Das ist was anderes.«
Sie hatte ihre Stimme immer noch nicht heruntergefahren und unterhielt weiterhin den ganzen Bootssteg.
»Lizzie! Musst du immer so viel Aufsehen erregen? Geht es nicht einmal eine Nummer kleiner und mit einer gedrosselten Stimme?«, zischte ich.
Sie grinste und winkte einem dreißigjährigen Typen ein paar Tische weiter zu, der ein Klatschen angedeutet hatte.
»Und hör um Gottes willen auf, schon wieder jeden anzubaggern, der nicht bei drei auf einem Baum sitzt.«
»Macht doch Spaß. Alle freuen sich. Nur du nicht. Bist du sauer? Genervt? Hast du Stress mit Martin, oder was?«
Sie musterte mich und verzog dabei wissend die Mundwinkel.
»Wie kommst du denn darauf?«
»Na, irgendeine Laus muss dir ja über die Leber gelaufen sein. So stinkig, wie du aussiehst. Und außerdem lag so ein hinterhältiges Timbre in deiner Tonlage, als du mich vorhin angerufen hast. Also, tu nicht so, als sei alles bestens. Du hast Stress, definitiv.«
Lizzie konnte ich nichts vormachen. Sie kannte mich länger und in mancher Hinsicht besser als mein
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