Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
eigener Mann oder meine Mutter. Lizzie und ich waren schon seit unserer Vorschulzeit miteinander befreundet und hatten so ziemlich jede Krise gemeinsam durchlitten und gegebenenfalls gemeistert. Der einen oder anderen waren wir auch nur um Haaresbreite entronnen.
So wunderte ich mich jetzt nicht, dass Lizzie auf Anhieb wusste, dass mit mir etwas nicht stimmte.
»Also, hast du Stress?«, fragte sie.
»Irgendwie nicht und irgendwie schon.«
»Geht es auch genauer?«
Ich lieferte Lizzie eine Kurzfassung der Ereignisse, die mit Gregor und Gerhard Meinhards Tod zusammenhingen. Lizzie leerte während der Zeit zwei Campari mit Orangensaft, bekam beim zweiten endlich ihren neuen Stuhl von Herrn Sulzer und ließ sich auf ihm nieder, ohne die Verzögerung bissig zu kommentieren. Ein Zeichen, dass sie geschockt war. Oder angetrunken, denn auch dann neigte sie zu lethargischer Versunkenheit.
Das dritte Glas kippte sie während meiner Geschichte über Martin, Laura und Sarah Baerenbaum hinunter. Ihr Gesicht versteinerte, sie begann zu schwitzen.
»Bevor du weiter so blöde theoretisierst, solltest du mit dieser Sekretärin sprechen«, erklärte sie schließlich leicht lallend.
»Meinst du?«
»Klar. Die ist doch scheißsauer auf Martin. Die wird sich schon mit dir unterhalten.«
»Und dann? Was soll ich der sagen? Herzlichen Dank, dass Sie sich von meinem Mann vögeln ließen?«
»Frag sie, wie lange das schon geht. Was er ihr versprochen hat - oder was weiß ich. Das wird sich schon ergeben.«
»Und wenn sie nicht will?«
»Na, dann ist es auch nicht tragisch. Dann fragst du eben die andere. Wie heißt die? Baerenbaum?«
Schweißperlen bildeten sich auf Lizzies Stirn und rollten in Richtung Augenbrauen. Sie stierte vor sich hin und schwieg. Der Alkohol hatte die Verbindung zwischen Gefühls- und Sprachzentrum gekappt. Eine bedauerliche, doch eher harmlose Reaktion, denn Gott sei Dank zeichnete sich Lizzie durch eine robuste Konstitution aus. Spätestens nach dem dritten Campari wären weniger belastbare Frauen längst zu Boden gegangen oder zur Toilette gestürzt, um den Magen zu beruhigen, indem sie ihn zwangsweise entleerten.
Ich wartete auf ein Wiedereinsetzen ihrer verbalen Schlagkraft. Vergebens. Die Verbindung zum Sprachzentrum blieb gestört.
»Sag doch mal was«, begann ich, während Lizzie weiter gebannt in ihr Glas starrte.
»Claire, was ... soll ich ... sagen?... Das ist... übel... das alles.«
Die Worte entflohen ihrem Mund nunmehr in einer kurzatmigen Behäbigkeit. Immerhin jedoch verbanden erste Verständigungsfunken ihre beiden Gehirnzentren. Es gab Anlass zur Hoffnung.
»Ja, und? Ist das alles?«
»Entschuldige ... wenn mir nicht... noch mehr superschlaue ... Kommentare einfallen ... Aber irgendwie ... bin ich ein bisschen ... benommen.«
»Du bist angetrunken«, unterbrach ich sie.
Verärgert sah sie mich an. »Na ... super. Du tischst... mir eine so ... dämliche Geschichte auf... und wunderst... dich, dass ich ... vielleicht irritiert bin und ... einen Campari zu viel ... trinke?... Entschuldige, wenn ... ich ein wenig ... zu viel intus ... hab, aber schließlich ... passiert es nicht... jeden Tag, dass ... die beste Freundin ... von Leichen und ... Geliebten erzählt.«
Lizzie hatte sich in Rage geredet, so weit das ihr Alkoholpegel und ihre Kurzatmigkeit zuließen. Die letzten Worte fegten gar in einer Lautstärke über den Tisch, die mich erstarren ließ und von einer Empörung kündete, die aus Alkohol und den Spätfolgen einer konservativen Erziehung geboren worden war. Denn obgleich Lizzie in vielerlei Betracht vor allem durch unkonventionelles Verhalten auffiel, ließ sich ihr kurzfristiger Aufenthalt in einem katholischen Mädchenpensionat nicht verleugnen, schlich sich von Zeit zu Zeit hinterrücks durch ihren Charakter und hatte schon so manchen Spaß verhindert.
Lizzie war mit fünfzehn Jahren für eineinhalb Jahre an den Chiemsee ausgegliedert worden, da ihre pubertäre Aggressivität den Familienfrieden erheblich beeinträchtigt hatte und weder mahnende Worte noch rigorose Strafen wie zweiwöchiger Stubenarrest oder Kinoverbot sie gelehrt hatten, sich der elterlichen Autorität zu beugen. So sahen es jedenfalls ihr Papa und ihre Mama. Und deren Urteil hatte Konsequenzen gehabt.
»Ich bin nicht irre. Keineswegs«, erwiderte ich, während ich einen sondierenden Blick auf die Nachbartische warf.
Gleich neben uns starrte mich eine ältere Dame über den Rand ihrer Lesebrille
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