Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
als sich unserem Tisch ein Mann näherte, der mir bekannt vorkam, den ich jedoch auf die Schnelle nicht einzuordnen wusste.
Er maß knapp einen Meter und neunzig, wirkte aber eher untersetzt. Im Verlauf seines vielleicht fünfzigjährigen Lebens hatte er kaum Fett, dafür umso mehr Muskelmasse ausgebildet, die sich unter einem engen T-Shirt abzeichnete.
Er hatte ein Lächeln aufgesetzt, das sich zwischen echtem Glück - tolles Wetter, schöne Frauen - und Routine - tolles Wetter, schöne Frauen, Scheißjob - nicht recht entscheiden konnte. Der Mann blieb vor unserem Tisch stehen, verbeugte sich artig, was bei der Statur eher seltsam aussah, und begrüßte mich.
»Hallo, Frau Hillger. Meiser, Knut, wenn Sie sich erinnern.« Scheiße. Der Detektiv.
Ich schaute zu Lizzie, aber die hatte schon wieder einen neuen Campari am Wickel. Drink und Schweigen waren ihr nicht bekommen. Sie schaute alkoholselig hoch, ein debiles Grinsen auf den Lippen. Offenbar hatte sie zwischendurch nur einen lichten Moment gehabt, ein letztes Aufbäumen der Vernunft, bevor die endgültig im Alkohol ersoffen war. Lizzie war sturzbetrunken. Ich ignorierte ihren Zustand und wandte mich dem Mann zu.
»Das ist ja ein Zufall, dass wir uns so schnell wieder begegnen.«
»Zufall würde ich es nicht nennen.« Knut Meiser grinste. Er hatte sich zu dem glücklichen Lächeln durchgerungen: tolles Wetter, schöne Frauen. Über seinem Grinsen leuchtete hellrotes Haar in der Nachmittagssonne.
»Und was ist es dann?«, fragte ich ihn mit gespielter Gleichgültigkeit, meine Neugierde nur schwer zügelnd.
»Ich würde es Vorsehung nennen.«
Auch gut. Ich lehnte mich erleichtert in meinem Korbsessel zurück. Knut Meiser blickte auf mich herunter, ich zu ihm hinauf. Lizzie nippte an ihrem Campari - dem wievielten überhaupt? schaute mit alkoholumwölktem Blick zu mir, stellte das Glas ab und kippte mit dem Korbsessel zur Seite weg.
Peng. Einfach so, ohne Vorwarnung.
Ihr linker Ellbogen knallte als Erstes auf die Bretter des Bootsstegs und wäre sie nicht so betrunken gewesen, hätte er wohl den nachfolgenden Bodenkontakt ihres Kopfes verhindert. So aber schlug sie mit der rechten Gesichtshälfte gleichfalls auf den Brettern auf.
Hektisch sprang ich auf, registrierte aus den Augenwinkeln, dass der junge Typ ein paar Tische weiter ebenfalls aufgesprungen war und auf uns zurannte, während unter dem Tisch der älteren Dame gleich neben uns zwei schrill bellende Terrier hervorstürzten und auf Lizzie zuschossen.
Knut Meiser hatte sich blitzschnell gebückt, um Lizzie aufzuhelfen. Doch bevor er ihren Arm ergreifen konnte, saß einer der schwarzweißen Russel-Terrier auf Lizzies Schulter, die Vorderpfoten in ihr blondes Haar gestemmt, und kläffte siegesgewiss über die Außenalster, während der zweite auf die geflochtene Armlehne des umgestürzten Korbsessels gesprungen war, sich dort wie aufgezogen um sich selbst drehte und dabei gleichfalls wie verrückt bellte. Motto: »Ich bin der Größte.«
Lizzie schrie irgendetwas von Scheißescheißescheiße, wobei ihre Zunge Probleme mit dem »Sch« hatte. Synonyme, gar ganze Sätze gab ihr im Alkohol ertrunkener Verstand längst nicht mehr frei.
Ich stand erstarrt, der gut aussehende, etwa dreißigjährige Typ, der uns inzwischen erreicht hatte, erstarrte neben mir nicht minder, während die Dame vom Nebentisch aufgesprungen war und mit zittriger Stimme »Whisky und Scheich, Platz, Aus!« schrie. Die Hunde kümmerten die hysterisch gekreischten Befehle der ondulierten Dame nicht. Sie kläfften ohrenbetäubend und selbstverliebt in die Sonne, die immer noch leuchtend über der ruhig daliegenden Alster stand.
Knut Meiser hatte sich überrascht aufgerichtet, runzelte kurz die breite Stirn, holte mit dem linken Arm weit aus, legte sein ganzes Gewicht in die folgenden Schläge und langte erst dem einen und dann dem anderen Hund eine. Es hob die beiden kurz hintereinander in die Luft und sie flogen quer über den Steg Richtung Alster, in die sie kurz nacheinander mit lautem Platschen eintauchten. Flughöhe etwa eineinhalb Meter, waren sie über den Tisch ihrer Herrin hinweggesegelt. Kuchen und Kaffeetasse waren unberührt geblieben, nur die oberste Zeitungsseite hatte es angehoben. Sie war in der durch die Hunde verursachten leichten Böe kurz hochgeweht und zurück auf den Tisch gesegelt.
Als die Hunde in der Alster landeten, traf das aufpeitschende Wasser eine ältere Dame und unseren verdutzten Herrn Sulzer,
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