Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
wohltuenden Halbschatten, was uns der Mühe enthob, einen Sonnenschirm aufzustellen. Die kräftigen Triebe der Rosen rankten sich durch die herabhängenden Äste, was dem Baum ein romantisches Flair verlieh. Unter dem Baum standen einige Sessel aus Teakholz um einen großen Esstisch gruppiert. Entlang der kniehohen Terrassenmauer hatte ich Kübel mit immergrünem Buchsbaum und wuchernden Geranien aufgestellt, deren üppige, rote Blütenpracht dem Arrangement südländischen Charme verlieh.
Ich verbrachte die meiste Zeit des Sommers an diesem einladenden Ort, es sei denn, ich empfing Kunden oder ordnete irgendwelche Papiere. Dann musste ich mein Büro aufsuchen. Ansonsten bemühte ich mich, möglichst viele meiner Tätigkeiten draußen zu verrichten.
Martin war, nachdem er gegen Mittags erwacht war, den restlichen Sonntag über ein hinreißender Ehemann, der in die Küche eilte, um mir eigenhändig einen Kaffee zuzubereiten, mir gegen Abend einen Drink mixte und sogar gleich zweimal losfuhr, um mir eine Sonntagszeitung von der Tankstelle zu besorgen. Das erste Mal brachte er die falsche, wie ich mit großem Bedauern monierte. Stimmte zwar nicht, doch ich hatte beim flüchtig-schnellen Durchblättern auf einer der hinteren Seiten die Phantomzeichnungen von uns und die Meldung über die Leichenfunde in Thüringen entdeckt und wollte den Mann eine Weile nicht um mich haben, um sie ungestört studieren zu können. Flugs eilte Martin auf meine Bitte hin, ein anderes Sonntagsblatt zu kaufen, erneut von dannen. Ein beeindruckend schlechtes Gewissen trieb ihn an. Prima. Super. Großartig. Martin mutierte gerade zum Vollidioten, der sich von mir scheuchen ließ, und merkte es nicht einmal. Dabei hielt er immer so viel von seiner Intelligenz, ja, von seinem geradezu brillanten Verstand. Der allerdings war ihm nicht nur beim Vollzug des Ehebruchs in die Hose gerutscht, er hatte seinen Sturzflug angesichts des aufgedeckten Betrugs geradezu zwanghaft fortgesetzt und musste sich inzwischen ungefähr auf Kniehöhe befinden.
Als ich allein war, sah ich mir die Zeichnungen genauer an. Ich konnte weder Lisa noch mich erkennen, allein die Frisuren glichen den unsrigen. Kein Wunder: Lisas Mähne und meine halblangen, glatten Haare waren Allerweltsschnitte.
Gesichtsform und Ausdruck blieben fremd. Auch Hedwigs Zeichnung wies nur eine entfernte Ähnlichkeit mit ihr auf.
Ich studierte die Meldung in dem Wunsch, irgendetwas zu finden, das der Moderator nicht erwähnt hatte. Ich fand nichts. Allerdings bereitete der Junge, der die Zeichnungen angefertigt hatte, nicht nur Lisa, sondern auch mir zunehmend Kopfzerbrechen. Was, wenn der uns tatsächlich identifizieren konnte? Der Junge hatte uns im Auto gesehen, Regen hin oder her, und er blieb ein Risikofaktor Hedwig trug die Axt am späten Abend zurück in den Geräteschuppen.
»Pfui, Claire. Deine Fantasie geht mit dir durch.«
»Wie meinst du das?«
Ich stellte mich ahnungslos.
»Jetzt tu doch nicht so, als wüsstest du nicht, was ich meine. In den ganzen Jahren, die ich hier für dich arbeite, hast du noch nie die Axt hervorgeholt. Und nach Martins Rausschmiss und deinem Aufstand gestern gibt mir das sehr zu denken.«
Ich legte meine Stirn in unattraktive Falten und sah sie unschuldig an.
»Hedwig, ich bitte dich. Krach gibt es doch in jeder Ehe.«
»Ja, aber so bist du in den ganzen Jahren noch nicht ausgerastet. Dein Geschrei hab ich ja bis zu mir gehört.«
»Das geht doch gar nicht.« Ihr Gartenhaus stand weit entfernt und war durch so viele Bäume und Sträucher geschützt, dass Hedwig dort unmöglich etwas von dem Streit mitbekommen hatte.
Mit anderen Worten, Hedwig hatte gelauscht.
6
Am Montag war Martin den ganzen Tag lang mit verschiedenen Geschäftsleuten unterwegs. Die Hitze lag wie Blei über der Stadt und laugte Pflanzen und Menschen aus. Ich hatte Lisa morgens freigegeben, nachdem ich ihr noch einmal eingebläut hatte, sie müsse sich über die Nachrichten und Zeitungsmeldungen keine Sorgen machen. Zumal nur noch fünf Zeilen auf Seite zwölf unserer Tageszeitung darüber Auskunft gaben, dass die Polizei keine neuen Hinweise gefunden hätte, doch fieberhaft nach den Tätern fahndete.
Erleichtert war Lisa Richtung Schwimmbad davongerauscht.
Ich fühlte mich nach diesem Wochenende zerschlagen und beschloss, mich mit meiner Freundin Lizzie im Alten Fährhaus an der Alster zu treffen. Das versprach ein wenig Abwechslung.
Das Alte Fährhaus war nicht ganz so in
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