Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
schließen konnten. Das Schielen und der schiefe Mund gaben dem Gesicht einen niederschmetternd unattraktiven Zug, wenngleich die Lippen zu einem schiefen Grinsen angesetzt hatten.
Paul entfernte sich mit Oskar in Richtung einer dicht gewachsenen Hecke aus Buschrosen. Paul schien Oskar etwas zu erklären und wies auf das Gras vor der Hecke. Oskar legte sich folgsam hin, während Paul zu seinem Auto eilte und mit der Arzttasche wiederkehrte.
Wir hörten, wie Oskar in abgerissenen, kurzen Sätzen redete. Wir seien die Damen. Ganz gewiss. Er kenne uns und habe uns hinter der nassen Scheibe des Autos gesehen. Ganz bestimmt. Alle beide. Er wies mit dem Finger auf uns.
Paul schüttelte den Kopf, drückte Oskar, der aufgeregt war, aber keine Gegenwehr leistete, ins Gras nieder und setzte ihm eine Spritze in den Oberarm. Oskar schloss die Augen. Vielleicht aus Resignation oder Erschöpfung oder weil die Spritze so schnell wirkte -, ich hatte keine Ahnung.
Ich kümmerte mich nicht weiter um ihn, denn die Leute neben uns schubsten Hedwig und mich an und wiesen auf einen Storch, der seit einiger Zeit neugierig über dem Weiher kreiste. Ich hatte den Vogel längst wahrgenommen, jedoch nicht auf ihn geachtet, da ich mich auf Oskar konzentriert hatte. Nun aber erklärte uns Frau Maler entspannt lachend, der Storch schiene absolut besoffen zu sein, denn er käme immer wieder ins Trudeln. Die Leute neben uns lachten ebenfalls.
Tatsächlich trudelte der Storch direkt über uns, drehte sich um sich selbst - und fiel dann wie ein Stein vom Himmel.
Den Schnabel voran, schoss der Vogel lautlos der Erde entgegen. Ich traute meinen Augen nicht. Neben mir quiekte Hedwig. Frau Maler schrie wie auch einige andere Frauen kurz auf, während sich Herr Larentius und ein älterer Mann in Bewegung setzten, um die Absturzstelle des Storches zu erreichen. Er schlug acht, neun Meter neben uns auf, wobei er auf einem Puffer landete, der den Aufprall des Storches dämpfte.
Der Puffer hatte einen Namen. Er hieß Oskar und er lag durch die Spritze außer Gefecht gesetzt - vor den Buschrosen. Der schwergewichtige Vogel rammte Oskar den Schnabel ins Gesicht und begrub Gesicht und Brustkorb des Jungen unter seinen großen, ermatteten Flügeln. Die langen schwarzen Beine zappelten noch einmal in wilder Bewegung in der Luft, als wollte sich der Vogel mit letzter Energie aufrichten. Dann senkten sich die Beine und hingen bewegungslos herab. Ein deprimierender Anblick.
Ich schüttelte mich ungläubig, während Hedwig neben mir die Hände vor das Gesicht geschlagen hatte und Frau Maler mit offenem Mund ungläubig erstarrt stand. Die Unterarme weit von sich gestreckt, wiesen ihre Handflächen in den Himmel, als wollte sie den Sturz des Storches dämpfen, den Vogel vielleicht gar auffangen, um so ihren von der Beruhigungsspritze außer Gefecht gesetzten Sohn zu schützen.
Paul, der unmittelbar neben Oskar stand, schien paralysiert zu sein. Er starrte fassungslos auf den Jungen und den Storch. Hannes Larentius eilte in großen Schritten auf die Hecke zu und rief: »Nimm ihm doch endlich den Storch vom Gesicht!«
Paul bückte sich und rollte den Vogel mit beiden Händen zur Seite.
Dann hielt er sich die Hand vor den Mund, wandte sich ab, würgte in kurzen Intervallen und übergab sich.
Selbst als promovierter Mediziner und Therapeut - wie uns Hannes Larentius später berichtete - schien Paul auf den Anblick von Verletzten nicht vorbereitet zu sein. Vielleicht war er zu sensibel.
Während Paul sich in die Hecke übergab, hatten Larentius und der andere Mann Oskar erreicht. Larentius starrte auf die Bescherung vor sich, konnte sich ob des Anblicks aber auch nur wegdrehen. Die eine Hand auf Höhe des Magens vor dem Bauch, die andere an der Stirn, war auch er dem Anblick des malträtierten Kopfes nicht gewachsen und wurde von einer massiven Übelkeit attackiert.
Dem dritten Mann erging es besser. Jedenfalls übergab er sich nicht. Ihm knickten gleich die Knie weg und er sackte auf der Wiese einer freundlichen Ohnmacht entgegen.
Ich rannte los und mit mir Olga, die es sich unter einem Baum bequem gemacht hatte, der jedoch die Reaktion ihres Herrchens offenkundig zu schaffen machte. Auch mir machten die Reaktionen der Männer zu schaffen.
Ein Arzt, der die Nerven verlor, und ein ehemaliger Soldat, der erst vor kurzem zwei ramponierte Leichen im Wald gefunden hatte und dabei völlig cool geblieben war - und beide mussten sich übergeben?
Offenbar sah es
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