Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
zusehen, wie sie an Senf oder Wein kam, Zahnbürsten besorgte oder die Zuteilung für Hochprozentiges umging. Anstrengend. Und dann immer der Junge, der auf eine Sonderschule nach Jena gefahren werden musste. Der ging ja nicht hier mit den anderen Kindern auf die Grundschule. Jeden Tag brachte sie morgens ihren Sohn weg, öffnete dann den Laden, holte Oskar abends wieder aus dem Hort ab, versorgte ihn und so weiter. Einfach war das bestimmt nicht. Eher eine nervenzehrende Tretmühle.«
Wir plauderten noch ein wenig mit Larentius über alte DDR-Zeiten, die wir nur vom Hörensagen kannten, erzählten, dass wir gerade eine Kurzreise durch die neuen Bundesländer unternahmen, ließen uns erklären, wo man hier besonders schön spazieren gehen konnte, was die Jugendlichen in dieser Abgeschiedenheit mit ihrer Freizeit anstellten, und beschlossen, in Larentius‘ Pension zu übernachten und nicht am selben Tag nach Hause zurückzufahren.
Ich wollte mit Hedwig den Abend am Bremsnitzer Weiher verbringen. Dort trafen sich auf der einen Uferseite die Einwohner mit ihren Frauen und Kindern an einem von Frau Maler betriebenen Imbissstand, an dem sie Bier oder Limo ausschenkte, während sich auf der anderen Uferseite von April bis spät in den Oktober hinein die Jugendlichen der umliegenden Dörfer trafen. Ich hoffte, unter ihnen diesen Oskar zu finden. Ihn zumindest einmal anschauen zu können, um zu testen, ob er mich oder Hedwig wiedererkennen würde.
Hedwig und ich mieteten uns also bei Larentius in zwei Einzelzimmern ein, lernten seine Tochter Traudel kennen sowie ihren Mann Hugo Peddersen, der in der Küche werkelte und deftige Pfannen-Gerichte und Eintöpfe mit frischen Zutaten aus dem eigenen Garten zauberte.
Auf frisches Gemüse und selbst geschlachtetes Vieh vom Bauern aus dem Nachbardorf legten sie schon seit dreißig Jahren wert. Mit genmanipulierten Pflanzen oder Rinderwahn hätten sie nichts zu tun, erklärte Hugo Peddersen der erstaunten Hedwig.
Hedwig war beeindruckt, in einer Dorfgaststätte, noch dazu einer im ehemaligen Osten, eine solch vorbildliche Einstellung anzutreffen, und freute sich auf das Abendessen. Sie wünschte sich einen Möhrcheneintopf, und Hugo Peddersen versprach, ihn zu kochen, nachdem er sich rückversichert hatte, dass wir nichts gegen eine kräftige Rinderbrühe einzuwenden hätten.
Gegen halb sieben aßen wir zu Abend.
Goldgelbe Fettaugen schwammen auf der Mohrrübensuppe, die kräftig mit Kümmel gewürzt war und der klein gehackte Petersilie optisch und geschmacklich den letzten Pfiff gab. Hugo Peddersen hatte die Brühe aus Knochen und Suppenfleisch von einem Rind namens Veronika zubereitet, das er von der Geburt bis zur Schlachtung wie alle seine tierischen Fleischlieferanten gekannt und regelmäßig auf der Weide besucht hatte. Petersilie und Mohrrüben wiederum hatte er nachmittags im Garten eigenhändig geerntet, und nun sah er uns mit einem glücklichen Lächeln bei den ersten Löffeln zu.
Während Hedwig und ich uns an der leckeren Suppe labten, kroch eine orangefarbene Abendsonne langsam hinter die Hügel, und die Temperaturen wurden merklich erträglicher. Hedwig und ich tranken ein helles Weizenbier zu dem deftigen Eintopf, stiegen in das Cabrio und fuhren die drei Kilometer bis Bremsnitz mit offenem Verdeck über eine menschenleere Landstraße.
Larentius Senior hatte es sich nicht nehmen lassen, uns zu begleiten. Er folgte uns in einem neuen VW Polo, der seiner Tochter gehörte. Normalerweise fuhr er einen gebrauchten Mercedes, der aber hatte Öl verloren und war gerade zur Reparatur in der Werkstatt.
Nach ein paar Minuten kamen wir am Ufer des Weihers an, den Hedwig und ich schon von unserem vorherigen Besuch in Bremsnitz kannten und dem der dunstige Abendhimmel zu einer bläulich-grünen Idylle verklärte.
Larentius, im Schlepptau Hündin Olga, begleitete uns zu dem kleinen Stand von Frau Maler, der wir artig vorgestellt wurden als zwei norddeutsche Damen, die den Osten Deutschlands erkundeten und über Nacht blieben. Mit Larentius lautstarker Vorstellung kannten uns auf einen Schlag allerdings auch die restlichen zehn oder zwölf Besucher, die in einer Traube um Frau Malers Stand herumstanden, ein Bier oder eine Dose Cola in der Hand. Rechts des Standes versuchte ein junger Mann, einen Grill in Gang zu setzen. Es qualmte erbärmlich, denn richtig brennen wollte die Kohle nicht.
Larentius gesellte sich zu dem jungen Mann, verschränkte die Finger seiner Hände,
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