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Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten

Titel: Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Buscha
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Welt, erklärte Hedwig mir, sie benötige ein neues Kleid.
    Die blauen, die sie seit nunmehr über dreißig Jahren im Haushalt trug und bei denen einzig die Rocklänge variierte, waren für die Hausarbeit zwar gerade richtig - frisch in der Farbe und doch unempfindlich -, hingen ihr aber zum Hals heraus.
    Ich verstand Hedwig gut, doch bislang hatte sie auf die blauen Einheitskleider nichts kommen lassen und jeglicher Versuch, ihr einen neuen Schnitt oder eine neue Farbe unterzujubeln, war verpufft. Hedwig ließ ihre blauen Kleider mit den weißen, abtrennbaren Spitzenkragen und den passenden, gekordelten und deshalb sehr stabilen Stoffgürteln seit Jahrzehnten bei einer allein stehenden Schneiderin, einem Fräulein Gräulich, nähen. Das zierliche Fräulein Gräulich näherte sich inzwischen seinem achtzigsten Geburtstag, war jedoch immer noch flink im Zuschneiden und Abstecken und fertigte Hedwigs Standardkleider im Schlaf, was insofern nicht verwunderlich war, als Hedwig doch jährlich drei oder vier neue bestellte. Hedwig war da eigen, wechselte ihr Kleid alle zwei, drei Tage und begnügte sich nicht mit einem längeren Auslüften auf der Terrasse, sondern brachte das getragene Kleid jedes Mal in die Reinigung. Das stete Bügeln ließ den Stoff schnell glänzend und unansehnlich werden, was Hedwigs enormen Verbrauch an dunkelblauen Kleidern erklärte.
    Erstaunt, doch auch erfreut über Hedwigs späten Gesinnungswandel, kam ich ihrem Wunsch nach und fuhr sie in die Stadt.
    Herr Larentius nahm sich an dem Nachmittag frei und begleitete uns. Während ich nach einigem Hin und Her mit Hedwig ein lavendelfarbenes Seidenkleid auswählte, erledigte Larentius ein paar Besorgungen. Wir trafen ihn schließlich in einem wunderschön renovierten Café am Jenaer Marktplatz. Ebenso wie die berühmte Universitätsmensa stammte es noch aus Bauhaustagen und bestach durch seine geradlinige Schlichtheit und bemerkenswerte Funktionalität. Längs der Wände reihte sich Tisch an Tisch, umgeben von originalen oder originalgetreu nachgebauten Bauhausstühlen, deren Sitzfläche kunstvoll geflochten war. Der Kuchentresen, der einem ins Auge fiel, wenn man das Café betrat, glänzte in Glas, rotbraunem Holz und Chrom. Die Einrichtung musste ein Vermögen gekostet haben, selbst wenn es sich nur um Nachbauten handelte.
    Es wurde ein wunderbarer Nachmittag. Und nachdem wir nach Ockersdorf zurückgekehrt waren, wurde es auch noch ein vergnüglicher Abend.
    Besonders für Hedwig, die in ihrem neuen, lavendelfarbenen Sommerkleid geradezu strahlte.
    Hedwig zeigte Hannes Larentius, wie man einen Hüpfekasten malte, und spielte mit ihm Himmel und Hölle. Derweil ich mich unter der Kastanie entspannte und gedankenverloren ein Frauenmagazin durchblätterte, amüsierten sich die beiden weißhaarigen Alten so sehr, dass sie das eine oder andere Mal vor Vergnügen laut quietschten. Besonders herzhaft quietschte Hedwig, wenn sie strauchelte und Hannes Larentius‘ durchtrainierte Kellnerarme sie auffingen. Jedenfalls spielte dann ein verklärtes, beinahe idiotisch zu nennendes Lächeln in ihrem Gesicht und zauberte Hunderte von Falten in die alterstrockene Haut.
    Die beiden Schweizer Damen, die an ihrem angestammten Tisch unter dem Sonnenschirm ihre allabendliche Weinschorle tranken, schauten pikiert zu Hedwig hinüber, deren glockig schwingender Rock beim Springen temperamentvoll auf- und niederschwang und ihre alterskrummen Beine unzüchtig freigab.
    Ich vermute, Hedwigs Verhalten widersprach so ziemlich jeder Regel, die den beiden Schweizerinnen durch eine konservative Erziehung und eine angeborene Zurückhaltung zu Eigen war. Hinzu mochte ein Anflug von Eifersucht kommen, denn sie wurden als Gäste zwar überaus zuvorkommend behandelt, doch Hedwig und ich lagen in der Gunst der Gastwirtsfamilie - einschließlich ihrer Mischlingshündin Olga - seit Oskars Unfall weit vorne. Das zeigte sich insbesondere daran, dass Hugo, Larentius‘ Schwiegersohn, allmorgendlich mit geradezu verschwörerischer Miene an unseren Tisch trat und uns in den hauseigenen Gemüsegarten bat. Dort führte er uns zu seinen Nutzbeeten und erläuterte uns, welches Gemüse an dem Tag am besten zu ernten sei und was er am Abend Besonderes daraus zu kochen gedächte, wenn wir denn mit seinem Vorschlag einverstanden wären.
    Hugos Gemüseaufläufe, Braten und Suppen waren sehr schmackhaft, manche geradezu delikat, wenn auch bäuerlich deftig. Das war nicht weiter tragisch, denn der

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