Mein Mann der Moerder
als hätte es die Emanzipation nie gegeben. Hatten völlig überzogene Vorstellungen, wie ihr Mister Right auszusehen hatte. Ein kleiner Mann hatte kaum eine Chance. Die Körpergröße eines Mannes spielte für diese Frauen im wahrsten Sinne des Wortes eine überragende Rolle. Gutes Aussehen war Pflicht. Schlank, muskulös und durchtrainiert. Bauchansatz verboten. Selbstverständlich musste der Mann ihrer Träume studiert haben, am besten sogar promoviert sein. Und keine Altlasten, bitte. Weder Exfrau noch Kinder, die erschütterten nur den Glauben an die Einzigartigkeit dieser Damen. Ach ja, und reich sollte Mister Right bitte schön auch noch sein. Oder wenigstens viel, viel Geld verdienen. Und ein repräsentatives Auto fahren.
Manchmal kam es Basti so vor, als suchten diese Frauen gar keinen Partner, mit dem sie das Leben genießen konnten, sondern ein Aushängeschild, das ihrem Selbstbild als erfolgreicher Frau den letzten Schliff geben würde. Doch kaum ein Mann erfüllte all diese Voraussetzungen. Wenn diese Karriereschicksen dann die vierzig überschritten hatten und die biologische Uhr tickte und tickte und kein Mann in Sicht war, der auch nur annähernd ihre Einstellungskriterien erfüllte, entwickelten sie sich zu tragischen Figuren. Trugen grelle Farben, die wirkten wie Hilfeschreie. Oder sie kleideten sich betont jugendlich, quälten sich in zu enge, tief sitzenden Jeans und bauchfreie Tops, die nur jungen Mädchen standen. Latschten in albernen Teenie-Turnschuhen durch ihr freudloses Leben. Wollten nicht wahrhaben, dass diese Outfits ihr Alter unterstrichen, weil ihre Kleider die Lachfältchen in ihren Gesichtern grotesk zur Geltung brachten.
Basti war diesen Karriereschicksen natürlich nie gut genug gewesen. Sie hatten auf ihn herabgesehen, weil er ja noch nicht mal fest angestellter Redakteur war, geschweige denn ein tolles Auto fuhr oder viel Geld verdiente.
Aber nun hatte er ja Kristina.
Die Schicksen würden Augen machen, wenn sie ihn zur nächsten Verlagsfeier begleitete.
*
Während Basti bei Kristina war, saß Matze unten im Auto und bohrte genüsslich in der Nase. Er popelte für sein Leben gern, scherte sich nicht um die gesellschaftliche Ächtung dieses seiner Meinung nach überaus effektiven Reinigungsrituals. Neulich erst hatte er der Obermeierin sogar vorgeschlagen, doch mal was über die Kulturgeschichte des Popelns zu schreiben.
Aber sie hatte nur schallend gelacht. »So eine Idee kann auch nur von dir kommen.«
Matze war gerade dabei, mit dem Fingernagel ein besonders widerspenstiges Exemplar von seiner Nasenwand zu schaben. Er empfand beim Popeln eine tiefe Befriedigung, weil sich die Erfolgserlebnisse so schnell einstellten wie bei sonst kaum einer Tätigkeit.
Einmal hatte er sich den Spaß gemacht und bei Wikipedia nachgeschaut. Er konnte den Text auswendig aufsagen, für den Fall, dass es jemand wagte, ihn zurechtzuweisen:
Bei Menschen und anderen Primaten verfestigt sich im Bereich der Nasenlöcher, der verstärkt der Austrocknung ausgesetzt ist, ein Teil des Sekrets und kann nicht mehr von alleine abfließen. Dieses angetrocknete Sekret muss dann, z. B. mithilfe eines Fingers, entfernt werden, um wieder eine freie Atmung durch die Nase zu ermöglichen.
Mit anderen Worten: Popeln war überlebenswichtig!
Matze zerrieb seine Beute mit Inbrunst zwischen Daumen und Zeigefinger. In der Regel wurde die Benutzung eines Taschentuchs empfohlen, hatte der Wikipedia-Autor noch angemerkt.
Allerdings haben die meisten Menschen auf der Nasenschleimhaut deutlich mehr Erreger als auf den Fingern. Außerdem ist das angetrocknete Nasensekret häufig so fest angekrustet, dass ein bloßes Ausblasen der Nase nicht zum Ziel führt.
Genau.
Und dann hatte der Autor noch eine Studie zitiert, die eindrucksvoll belegte, dass einundneunzig Prozent aller Menschen in der Nase popelten. Das war doch mal eine unabhängige Recherche. Die FAZ hätte diese Erkenntnisse sicher unterschlagen. Popel eigneten sich sogar als Nahrungsergänzungsmittel:
Bei der Mukophagie (von griechisch mukos: Schleim, phagein: essen) wird das entfernte Sekret gegessen. Dies unterliegt, obwohl ebenfalls verbreitet, einem noch stärkeren Tabu. Hier sei allerdings erwähnt, dass ein Großteil des Nasensekrets ohnehin über den Nasen-Rachen-Gang in den Rachen gelangt und dabei anschließend unwillkürlich heruntergeschluckt wird.
Na also. Die Popel gelangten über Schleichwege sowieso an ihren Bestimmungsort: den
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