Mein Mann der Moerder
anderen Städten. Die Enkel ließen sich selten blicken. Diese Frau hatte den ganzen Tag Zeit, hörte und sah alles. Basti pirschte sich durch die Menge unauffällig an die Frau heran. Als er direkt neben ihr stand, schenkte er ihr sein wohlerzogenstes Lächeln.
»Erkälten Sie sich bloß nicht«, raunte er ihr zu. »Wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen gerne meine Jacke.«
Die Frau sah ihn amüsiert an. Eine verblühte Schönheit, die das Leben genossen hatte. Vermutlich war es Jahrzehnte her, dass ihr ein Mann seine Jacke angeboten hatte. Jedenfalls setzte Basti darauf.
Die Frau lächelte und schüttelte den Kopf. »Lassen Sie mal. Aber Sie sehen aus, als könnten Sie einen Kaffee gebrauchen.«
Basti war perplex. So einfach ging das heute.
»Können Sie Gedanken lesen?«, fragte er zurück.
»Na, dann kommen Sie mal mit«, sagte die Frau und ging voran.
Schweigend folgte Basti ihr, blickte sich noch einmal nach Matze um. Doch sein Kollege war verschwunden. Die Frau schlappte in ihren Pantoffeln auf eine weiß getünchte Gründerzeitvilla zu, die schräg gegenüber vom Mordhaus lag.
Netter Schuppen, die Alte hat Kohle, dachte Basti. Dr. Hubertus und Elisabeth Schwarz, las er auf dem protzigen Messingschild an der Haustür.
Elisabeth Schwarz schloss die Eingangstür auf. »Hereinspaziert«, ermunterte sie Basti.
Hoffentlich will die Alte nicht nur übers Wetter quatschen, überlegte er und folgte Frau Schwarz in die Küche.
»Setzen Sie sich«, sagte sie und deutete mit der Hand auf den rustikalen Holztisch, an dem vier Stühle standen. Dann zog sie ihren Morgenmantel aus und warf ihn lässig über die Lehne eines Stuhls. Unter dem Seidenmantel trug sie einen türkisfarbenen Hausanzug aus Nickistoff.
Artig nahm Basti Platz, obwohl er nicht leugnen konnte, dass ihm plötzlich mulmig zumute war.
Während Frau Schwarz Kaffee in zwei Tassen goss, umspielte ein schelmisches Lächeln ihren Mund, das Basti nicht zu deuten wusste. Sie stellte die Tassen auf den Tisch. »Und?«, fragte Elisabeth Schwarz, während sie sich setzte. »Für welche Zeitung arbeiten Sie?«
Basti staunte. »Woher wissen Sie denn, dass ich Journalist bin?«
»Mein Sohn ist auch Journalist. Euch riecht man doch meilenweit gegen den Wind.«
Basti grinste. »Wo arbeitet Ihr Sohn?«
»Er ist Lokalchef in Buxtehude, einer Kleinstadt bei Hamburg. Beim Buxtehuder Boten . Und für wen arbeiten Sie?«
»Berliner Express«, antwortete Basti. »Sebastian Schellenberger ist mein Name.«
»So, so«, sagte Frau Schwarz. »Ein Boulevardjournalist also.«
Basti nickte schuldbewusst.
»Ja, ja, so hat mein Sohn Harry auch mal angefangen. Aber irgendwann hatte er die Schnauze gestrichen voll.«
Basti stieß einen leisen Seufzer aus. Er wusste, was die Nachbarin meinte.
»Also, mein Junge. Nun zück mal deinen Block und hör gut zu«, schlug sie einen mütterlichen Ton an. Basti holte Notizblock und Kugelschreiber aus seiner Lederjacke und spitzte die Ohren.
Elisabeth Schwarz wusste bestens Bescheid. Otto Mertens, der tote Ehemann, war Unternehmer gewesen, Chef von fünfhundert Mitarbeitern in mehreren Druckereien.
Helga, seine Frau, hatte ihren Sohn Thorsten mit in die Ehe gebracht. Mutter und Sohn eröffneten zusammen eine Filiale von Ottos Druckerei in Brandenburg. Thorsten aber war ein Taugenichts, der das Geld seines Stiefvaters verpulverte, sodass es immer wieder Streit gegeben hatte. Die Nachbarin wusste sogar, dass Thorstens leiblicher Vater in Berlin-Reinickendorf lebte und Winfried Unger hieß.
Basti schrieb so schnell mit, dass er befürchtete, seine Schrift später nicht mehr entziffern zu können. Zu seinem Glück fehlten ihm jetzt nur noch Fotos der Familie.
»Sagen Sie …«, tastete sich Basti vor. Er wollte es sich mit seiner Informantin auf keinen Fall verscherzen.
»Sie wollen wissen, ob ich ein Foto habe«, kam Frau Schwarz ihm zuvor.
Basti grinste.
Die Nachbarin lächelte zurück. »Ich glaube, ja«, antwortete sie. »Aber nur von Otto und Helga, aufgenommen bei einem Straßenfest vor ein paar Jahren, als ich noch keine Digitalkamera hatte.«
Bastis Herz klopfte. So etwas nannte man Reporterglück.
Frau Schwarz schlurfte in ihren Samtpantoffeln aus der Küche.
Basti sah unterdessen aus dem Küchenfenster nach draußen. Vor der Banderole sammelten sich immer mehr Leute. Plötzlich klingelte sein Handy. Die Obermeierin. Hektisch wie immer. Sie hatte Frühdienst, musste checken, was los war,
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