Mein Mann der Moerder
Unger wusste noch nicht, was passiert war. Sie waren das gewesen, womit sie sich im Scherz gerne brüsteten: schneller als die Polizei.
Basti schluckte. Er schämte sich wie noch nie in seinem Leben. Mit einem Mal wusste er, wie es sich anfühlte, wenn die Leute sagten, sie wären am liebsten im Boden versunken.
Dagegen behielt Matze die Nerven. »Lieber Herr Unger«, sagte er. »Es tut uns wirklich leid, dass die Polizei Sie noch nicht informiert hat und wir sie jetzt so überfallen …«
In diesem Moment tauchte hinter Winfried Unger ein roter Lockenkopf auf. Die Frau schaute ihrem Mann über die Schulter. »Also, Winfried, willst du die Herrschaften nicht hereinbitten?«, tadelte sie.
Winfried Unger nickte brav, trat zur Seite. »Kommen Sie doch bitte rein.«
Basti fühlte sich hundeelend. Das war genau die Situation, vor der sich selbst hartgesottene Polizeireporter fürchteten. Angehörige auszufragen und ihnen Fotos abzuschwatzen, war das eine. Aber ihnen anstelle der Polizei die Todesnachricht zu überbringen … Doch nun gab es kein Zurück mehr. Wie ein Roboter setzte Basti einen Schritt vor den anderen. Er sah zu Boden, seine Wangen glühten, wahrscheinlich lief er, was ihm das letzte Mal in seiner Pubertät passiert war, gerade knallrot an.
»Was ist denn passiert?«, fragte Winfried Unger und schloss die Tür.
Sofort rief ihn seine Frau wieder zur Ordnung. »Winfried, biete den Herren doch erst mal einen Platz an.«
Frau Unger trug eine fliederfarbene Kittelschürze, war offenbar gerade mit Hausarbeit beschäftigt gewesen. Sie führte Basti und Matze den Flur entlang ins Wohnzimmer. Bastis Blick fiel auf die mächtige Eichenschrankwand. Vor dem Sofa, einem braunen Ungetüm, auf dem unzählige Samtkissen mit Knick in der Mitte drapiert waren, stand ein Kacheltisch, den eine Häkeldecke zierte.
»Bitte setzen Sie sich«, sagte Frau Unger und deutete mit der Hand auf das Sofa. In Erwartung der schlechten Nachricht, die ihm Basti mit seinem voreiligen Beileid angekündigt hatte, wirkte Winfried Unger wie in Trance.
Basti atmete schwer. Obwohl die Polster sehr weich waren, saß er unbequem; die Kissen raubten ihm Platz, drückten seinen Rücken leicht nach vorn. Basti räusperte sich, brachte aber keinen Ton heraus.
Winfried Unger ließ sich in einen Sessel fallen, seine Frau stellte sich hinter die Lehne, als wäre sie bereit, den Raum sofort zu verlassen, wenn sie nicht gebraucht würde.
Basti war schlecht. Doch erneut rettete Matze die Situation. »Liebe Frau Unger, lieber Herr Unger. Wir möchten uns bei Ihnen entschuldigen, dass wir Sie so überfahren.«
Basti studierte das Muster der Tapete. Silberne Gebilde auf altrosafarbenem Grund, die entfernt an Eichenblätter erinnerten. Er wünschte sich weit weg von hier.
Matze hingegen schien in seinem Element zu sein. »Wir konnten ja nicht ahnen, dass die Polizei Sie noch nicht informiert hat.« Er hatte den Ton eines wohlerzogenen Etonzöglings angeschlagen, der aus seinem Mund klang, als würde ein Zuhälter Kirchenlieder anstimmen.
»Heute Morgen sind in Zehlendorf drei Tote gefunden worden. Ein Mann und eine Frau. Bei den Personen handelt es sich um Ihre Exfrau, lieber Herr Unger, und deren Ehemann.« Matze holte Luft. »Und leider ist auch Ihr Sohn tot. Es tut mir sehr leid, Ihnen das mitteilen zu müssen. Alle drei sind offenbar erschossen worden.« Matze legte eine Pause ein, wollte den Ungers Gelegenheit geben, zu begreifen, was er ihnen da gerade eröffnet hatte.
Basti erwartete, dass Unger sich die Hände vors Gesicht schlagen und anfangen würde zu schreien: »Nein, nein, nein!« Nichts dergleichen geschah. Unger saß nur da auf dem Sessel, wurde aschfahl und stierte vor sich hin. Er tastete nach dem Arm seiner Frau. Ilse Unger nahm die Hand ihres Mannes. Auch sie wirkte eigentümlich beherrscht.
»Die Polizei geht derzeit davon aus – aber das ist noch Gegenstand der Ermittlungen –, dass Thorsten seine Mutter und seinen Stiefvater erschossen hat, bevor er Selbstmord beging.« Wieder hielt Matze inne.
Unger schüttelte den Kopf: »Ich habe immer gewusst, dass es mit dem Jungen mal ein schlimmes Ende nehmen würde.«
Ilse Unger ergänzte seltsam kühl: »Sie müssen wissen, mein Mann hatte kein gutes Verhältnis zu seinem Sohn. Die beiden hatten schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zueinander. Und auch mit seiner Exfrau hatten wir immer nur Probleme.« Ilse Unger nannte ihre Vorgängerin nicht beim
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