Mein Mann der Moerder
Namen.
»Meine Exfrau hat sich scheiden lassen, als Thorsten zwei Jahre alt war.« Unger redete so langsam, als stünde er unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln. »Sie ist abgehauen, durchgebrannt, mit diesem Unternehmer, der ihr ein besseres Leben bieten konnte als ich.«
Frau Unger nickte.
Winfried Unger drückte ihre Hand. »In den ersten Jahren habe ich mich noch bemüht, meinem Sohn nahe zu bleiben. Aber Otto schüttete ihn mit Geld zu, spannte mir das Kind regelrecht aus. Irgendwann habe ich es aufgegeben. Schon vor Jahren.«
Basti glaubte Unger kein Wort. Wahrscheinlich hatte er sich nie um seinen Sohn gekümmert und schob nun dem zweiten Mann seiner Ex die Schuld in die Schuhe.
»Ja, aber was wollen Sie denn nun von mir?«, fragte Unger, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht.
»Lieber Herr Unger«, antwortete Matze. »Wir haben manchmal die bittere Pflicht, in unserer Zeitung über solche Tragödien zu berichten. Dabei versuchen wir, unseren Lesern zu erklären, wie es dazu kommen konnte. Das, was Sie uns eben erzählt haben, hilft uns sehr. Und dafür danke ich Ihnen.«
Basti war perplex. Zwar klang Matzes Geschwafel ein bisschen pastoral, aber er hätte seinem Kumpel so eine höfliche, sensible Wortwahl nie zugetraut.
Unger nickte.
Matze war noch nicht fertig. »Lieber Herr Unger«, begann er. »Haben Sie vielleicht ein Foto von Ihrem Sohn?«
Basti schluckte. Das hätte er sich nicht getraut. Er war froh, wenn sie hier heil rauskamen, ohne dass Unger ihnen die Fresse polierte, was Basti ihm nicht verübelt hätte. Und nun provozierte Matze Unger auch noch.
Doch Unger schien Matzes Frage nicht anstößig zu finden. Wahrscheinlich stand er so unter Schock, dass er gar nicht wusste, wie ihm geschah. Er drehte sich zu seiner Frau um. »Ilse, wo hast du denn die Fotoalben mit den Bildern von Thorsten und Helga hingetan?«
»In den Schrank«, parierte Ilse, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, fremden Leuten Privatfotos zu zeigen.
Sie drehte sich um, öffnete eine der vielen Schrankwandtüren und reichte ihrem Mann ein abgegriffenes Album.
Winfried Unger schlug es auf und begann, darin zu blättern. »Hier, das ist unser Hochzeitsfoto. Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie das Bäuchlein unter dem Kleid. Helga war ja schon schwanger. Wir mussten uns beeilen.« Ein Lächeln huschte über Ungers Gesicht. Er schien noch immer nicht begriffen zu haben, was passiert war.
»Lieber Herr Unger«, tastete sich Matze weiter vor. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das Bild abfotografiere? Wissen Sie, sonst wirkt unser Bericht so kalt und anonym. Die Leser haben ja gar keine Vorstellung davon, wie Ihr Sohn und Ihre Exfrau aussahen.«
Basti schnappte nach Luft.
Unger schüttelte den Kopf. Einen Moment lang dachte Basti, er würde ablehnen.
Dann sagte Unger: »Nee, nee, machen Sie ruhig. Fotografieren Sie.«
Matze holte seine Digitalkamera aus der Tasche und fing seelenruhig an, die Fotos abzufotografieren.
»Das ist Thorstens erster Schultag«, erklärte Unger, begleitet vom leisen Klicken der Kamera. Der kleine Thorsten umklammerte mit beiden Armen eine überdimensionierte Schultüte, hinter der er fast verschwand. Ein bleicher, schmächtiger Junge mit Frettchengesicht. Stechende, dunkle Augen, leicht fliehendes Kinn.
»Und hier ist Thorsten als Vierzehnjähriger mit seiner Fußballmannschaft.« Der Teenager-Thorsten war nur als Kopf in der dritten Reihe zu erkennen. Matze und Basti sagten kein Wort. Unger schlug Seite für Seite um.
»Du hast deine Ex regelrecht um diese Bilder anbetteln müssen«, warf Ilse Unger ein.
»Ja, ja«, seufzte ihr Mann. »Thorsten kriegte ich ja nicht mehr zu Gesicht. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie bitter so ein Streit ums Besuchsrecht sein kann. Irgendwann habe ich aufgegeben, war froh, wenn mal ein Foto mit der Post kam. Als Thorsten erwachsen war, hat er den Kontakt zu mir von sich aus abgelehnt. Kann man ihm ja nicht verdenken. Er hatte einfach keine Beziehung mehr zu mir.« Unger schlug das Album zu. »So, mehr Bilder habe ich leider nicht von meinem Sohn«, entschuldigte er sich.
»Aber ich bitte Sie«, schleimte Matze. »Wir sind Ihnen sehr dankbar.« Er schaltete die Kamera aus und packte sein Arbeitswerkzeug zurück in seine Fototasche.
»Natürlich ist das für Sie ein schwerer Schlag. Deshalb wollen wir Sie jetzt auch nicht länger stören. Sicher möchten Sie bei der Polizei anrufen und haben jede
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