Mein Mann der Moerder
Strafbefehl ausgehen – vorausgesetzt, die anderen Autofahrer hatten tatsächlich nichts Besseres zu tun, als wegen dieser Lappalie auf die Wache zu kommen, um gegen ihn auszusagen. Auch seinen Führerschein würde er wohl kaum verlieren.
Aber wenn er nicht bald nach Kreuzberg käme, würde Hartmut ihn feuern. Der Verlag sparte im Moment an allen Ecken und Enden. Und Personal war nun mal das Teuerste.
»Also, ich kann nur sagen, dass es mir leidtut«, hörte Matze sich sagen.
Der Bulle zog höhnisch die Augenbrauen hoch, fing aber immerhin an, Matzes Personalien aufzunehmen. Danach schrieb er – mit einer für diese Routinearbeit sicher außergewöhnlichen Hingabe – die »Benachrichtigung«, also die Ankündigung des Strafzettels, der Matze später per Post zugestellt werden würde. Danach ließ der Beamte Matze aussteigen, ihn Kofferraum öffnen, Warndreieck und Verbandskasten zeigen.
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis der Polizist von ihm abließ. Und noch einmal fünfundzwanzig Minuten, bis Matze sich durch den Feierabendverkehr in die Gneisenaustraße gequält hatte. Er war schweißgebadet, als Basti und er aus dem Wagen sprangen. Die dunklen Flecken unter seinen Achseln waren tellergroß. Basti könnte sich vom Pressesprecher erzählen lassen, was geschehen war und die Fakten so lebendig zusammendichten, als wäre er dabei gewesen. Matze aber brauchte Fotos. Er riss seine Kameratasche von der Rückbank. Beißender Brandgeruch lag in der Luft. Im Laufschritt näherten sich Basti und Matze dem Haus.
Schon von Weitem sahen sie, dass der Brand gelöscht war. Zwar war das Haus noch immer abgesperrt, aber die Lage wirkte keinesfalls dramatisch. Die Leute warteten, dass Polizei und Feuerwehr die Wohnungen wieder freigaben. Vor dem Haus stand der Rettungswagen, doch es hatte offenbar keine Verletzten gegeben. Die Türen waren geschlossen. Basti und Matze verlangsamten ihre Schritte.
Das Dachgeschoss des Hauses, ein schmuckloser Kastenbau aus den Fünfzigerjahren, war völlig ausgebrannt. Rauch stieg aus den Trümmern auf.
Die Dachpfannen, die von der Hitze abgesprengt worden waren, gaben den Blick frei auf verkohlte Balken. Die Hauswand rund ums Dach war vom Ruß geschwärzt, die Fenster unter der Hitze geborsten. Glasscherben knirschten unter den Füßen der Männer.
Vor der Absperrung hatten sich wie immer Schaulustige versammelt. Frustriert machte Matze seine Digitalkamera startklar und verschwand in der Menge, um wenigstens noch ein paar Bilder zu schießen.
Basti hielt nach einem Pressesprecher Ausschau. Plötzlich schossen Witte und Herrmann aus der Menge auf ihn zu. Basti zuckte zusammen. Die Konkurrenz vom Berliner Boulevard: Alice Witte und Claudia Herrmann – die gefürchtetsten Polizeireporterinnen Berlins. So gut wie jedes Mal hängten diese beiden Schnepfen alle anderen Journalisten ab. Die Sache mit der Familientragödie in Zehlendorf neulich war reine Glückssache gewesen. Normalerweise waren Witte und Herrmann schneller, ›keilten‹ bessere Fotos, ›verhafteten‹ mehr Angehörige, die ihnen Rede und Antwort standen. Ihr Erfolgsrezept war denkbar schlicht. Witte und Herrmann genossen enorme Vorteile, einfach, weil sie Frauen waren. Außerdem war Witte abgebrühter als alle männlichen Polizeireporter Berlins zusammen. Sie durchwühlte nicht nur Mülltonnen nach weggeworfenen Handyrechnungen, die verrieten, mit wem das Mordopfer oder der Täter telefoniert hatte, sondern kannte auch sonst keine Skrupel. Legendär war die Geschichte mit dem gefälschten Polizeiausweis, den Witte am Computer entworfen und mit dem sie sich bei den Angehörigen eines Mordopfers als Kripobeamtin ausgegeben hatte, um an Informationen zu kommen.
Niemand hätte ihr solche fiesen Touren zugetraut. Denn Witte, die ein paar Semester Zahnmedizin studiert hatte, bevor sie Journalistin geworden war, sah nicht aus wie eine Polizeireporterin. Anwältin hätte sie sein können. Fotomodell, Managerin, aber niemals Boulevardreporterin. Sie trug meistens dunkelblaue Blazer, an denen Goldknöpfe glänzten. Ihr Haar war immer ordentlich zum Pferdeschwanz gebunden oder hochgesteckt. Und dann dieses Gesicht. Witte war absolut nicht Bastis Typ. Aber er musste zugeben, dass sie etwas hatte. Etwas Unschuldiges, Reines, Klares. Witte war blond und hatte braune, warme Augen, denen man das Mitgefühl, das sie Angehörigen vorheuchelte, sofort abnahm. Ihre Haut war sehr hell und feinporig. Eine Haut ohne den geringsten
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