Mein Mann der Moerder
und rannte zu ihm. Als der Polizist ihn bemerkte, hob er abwehrend beide Hände.
»Wenden Sie sich bitte an unsere Pressestelle, Herr Schellenberger«, versuchte er ihn abzuwimmeln, bevor Basti auch nur ein Wort hervorgebracht hatte.
»Herr Becker, ich muss wissen, ob der Tote im Haus Thomas Klingenberg heißt und 1972 geboren wurde. Ich weiß, Sie dürfen keine Namen rausgeben. Aber Thomas Klingenberg ist ein alter Freund von mir.«
Becker starrte ihn an. Ein paar Sekunden lang. Dann senkte er den Blick.
In diesem Moment wusste Basti, dass sein Freund tot war.
»Herr Schellenberger, es tut mir sehr, sehr leid. Der Mann heißt tatsächlich Thomas Klingenberg und wurde 1972 geboren. Mein aufrichtiges Beileid. Herr Schellenberger …, soll ich jemanden für Sie anrufen? Herr Schellenberger …«
Basti hörte Beckers Stimme wie aus weiter Ferne. Mechanisch schüttelte er den Kopf. Basti hatte das Gefühl, als würde der Boden unter seinen Füßen nachgeben.
»Danke, danke, nein, nein«, stammelte er und ließ den Kommissar stehen. Er sah sich nach Matze um. Aber sein Kollege ließ sich nicht blicken. Basti rang nach Luft. Der beißende Brandgeruch war unerträglich, nicht, weil er wirklich so schlimm gewesen wäre, sondern weil Basti sich plötzlich einbildete, dass das, was da roch, das Fleisch seines Freundes war. Fast hätte Basti gekotzt, als ihn jemand am Ärmel zupfte – Witte.
»Hör mal, Basti, das mit deinem Kumpel tut mir leid. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ihr so eng miteinander seid. Die meisten Leute kennen ihre ›Freunde‹ bei facebook ja gar nicht. Aber nun sag mir doch noch schnell, was der Klingenberg für ein Typ war.« Witte, die ihr MacBook wieder in ihre Tasche gesteckt hatte, zückte einen teuren Montblanc-Kugelschreiber und wartete allen Ernstes darauf, dass Basti ihr in den Block diktierte, was Thomas für ein Mensch gewesen war. Hatte diese Schlampe noch alle Tassen im Schrank?! Er hatte gerade seinen Freund verloren und sie dachte nur an ihre Geschichte! Am liebsten hätte Basti Witte in ihr feines Püppchengesicht geschlagen.
Was für ein Typ Thomas gewesen war … Ein gradliniger Typ, der Basti immer gewarnt hatte: »Sieh bloß zu, dass du nicht beim Express hängen bleibst.« Einer, der trotz Spitzennoten und Promotion als Philosoph natürlich nie eine feste Anstellung bekommen hatte und der mit Ende dreißig noch in einer Wohngemeinschaft gelebt hatte, weil er sich keine eigene Bude leisten konnte. Neulich hatte Thomas mal erwähnt, dass er vielleicht umziehen wolle, weil es ihn nerve, mit den anderen immer über den Abwasch zu streiten. Das fiel Basti jetzt ein.
Er schluckte an dem Kloß in seinem Hals. Und plötzlich schossen ihm die Tränen in die Augen. Witte sah ihn erschrocken an. Basti ließ seine Kollegin einfach stehen, rannte die Gneisenaustraße entlang, winkte ein Taxi zu sich heran.
Völlig aufgelöst kam Basti zu Hause bei Kristina an. Heulte Rotz und Wasser, war gar nicht in der Lage, seiner Freundin zu erzählen, was geschehen war. Es dauerte eine ganze Weile, bis Kristina sich aus seinem Gestammel zusammenreimen konnte, was ihm widerfahren war. Basti saß wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa, zitterte, heulte.
So hatte Kristina ihren Freund noch nie erlebt. Sie brachte ihm eine Decke, holte eine Flasche Gin aus der Küche und schenkte ihm ein Wasserglas voll. Basti leerte das Glas in einem Zug. Sofort wurde ihm warm, seine Nerven schienen sich zu beruhigen. Wortlos hielt Basti Kristina das Glas hin. Sie schenkte nach. Basti stürzte auch den zweiten Drink hinunter. Nach dem dritten redete er wie ein Wasserfall. Die ganze Nacht.
Kristina hielt seine Hand, hörte ruhig zu. Basti beichtete ihr die Sache mit Unger, dem sie die Nachricht vom Tod seines Sohnes überbracht hatten. In allen Einzelheiten. Erzählte ihr von dem Racheakt, den die Bullen gegen ihn und Matze angezettelt hatten. Von Hartmut, seinem Chef, diesem Arschloch, der seine Freien behandelte wie den letzten Dreck. Plötzlich fand er, dass es langsam an der Zeit war, das Bild des erfolgreichen Journalisten, das er vor Kristina aufrechterhalten hatte, zu zerstören. Basti klagte, dass er gefangen sei in diesem Job, weil er sich schließlich finanzieren musste. Dass sein Traum, Journalist zu werden, sich als Albtraum entpuppt hatte und wie sehr er unter der Geringschätzung seiner Eltern litt.
Als er gegen Morgen, von Kristina gestützt, ins Bett wankte, lallte er: »Sei froh, dass du
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