Mein Mann der Moerder
Makel, die ihr etwas Puppenhaftes gab. Vielleicht ging den Angehörigen deshalb sofort das Herz auf, wenn Witte vor ihrer Tür stand. Ihre Kollegin Herrmann war ein ganz anderer Typ mit dunklem, langem Haar, das ihr fast bis zur Hüfte reichte, und grünen Augen. Ihre Mutter war Iranerin. Herrmann, die Fotografie studiert hatte, kleidete sich legerer als Witte, trug Jeans, altmodische Cowboystiefel und eine Wildlederjacke mit Fransen. Aber sie gehörte zu den Frauen, die alles tragen konnten. Die Männer hätten sich selbst nach ihr umgedreht, wenn sie im formlosen Sackkleid durch Berlin gelaufen wäre.
Natürlich wickelten Witte und Herrmann auch die Bullen um ihre zarten Klavierspielerfinger. Es gab kaum einen Polizisten, der nicht scharf war auf Witte, Herrmann oder beide. Es liefen Wetten, wer es von den Kerlen als Erster schaffte, eine der beiden flachzulegen. Doch bislang waren alle abgeblitzt. Selbst Schönling Becker von der Mordkommission, der Weiber im Feierabendtakt abschleppte, war gescheitert. Die Bullen ahnten nicht, was nur wenige Eingeweihte wussten: Witte und Herrmann waren ein Paar.
»Basti, der Tote im Dachstuhl …«
Basti wich zurück. Witte sprach nur selten mit ihm. Sie waren Konkurrenten und keine Freunde, auch wenn sie sich – wie unter Journalisten üblich – duzten.
»Wir sind in eine Polizeikontrolle geraten und erst vor einer Minute angekommen. Ich weiß nicht mal, dass es einen Toten gibt.«
Basti hätte sich auf die Zunge beißen können. Ihr Zuspätkommen war schon Katastrophe genug, auf Wittes Spott konnte er verzichten.
Doch seine Konkurrentin ging gar nicht darauf ein. »Es hat einen Toten gegeben. Ein Typ, der sturzbetrunken war und mit brennender Zigarette auf seinem Bett eingeschlafen ist. Und du kennst ihn.«
Basti starrte seine Kollegin entgeistert an. »Ich kenne niemanden, der hier wohnt«, gab er gereizt zurück.
Wortlos zog Witte das MacBook Air aus ihrer Krokoledertasche. Es war das erste Mal, dass Basti dieses geile Teil aus der Nähe sah. Ein elegantes Laptop aus Aluminium, ganz dünn und offenbar sehr leicht. Denn Witte parkte den Computer auf ihrem Unterarm und hielt den aufgeklappten Deckel mit der Hand fest, während sie mit der anderen auf der Tastatur herumhackte.
Voller Neid sah Basti ihr zu. Sein billiger Aldirechner war gegen diese Gazelle eines Computers ein klobiges Monstrum. Aber er verdiente natürlich auch nicht so viel wie Witte, diese Hexe.
»Hier.« Die Hexe hielt Basti den Bildschirm ihrer Computerschönheit direkt vor die Nase. Auf den ersten Blick erkannte Basti nur die Internetseite von f acebook, einem sozialen Netzwerk im Internet, bei dem er sich vor ein paar Monaten angemeldet hatte. Er nutzte die Seite zur Kontaktpflege. Auf facebook meldeten sich binnen kürzester Zeit wildfremde Menschen als Freunde . Und ein Journalist brauchte halt viele Kontakte.
»Dr. Thomas Klingenberg steht auf der Liste deiner sogenannten Freunde«, sagte Witte. »Ihr seid beide in der Gruppe der Humboldt-Uni. Kennst du den wirklich? Oder gehört der nur zu diesen Möchtegern- facebook -Freunden?« Witte hatte das Profil von Thomas aufgerufen und die Liste mit seinen Freunden angeklickt. Thomas hatte erst zehn Kontakte, einer davon war Basti.
»Kennst du ihn oder nicht?«, drängelte Witte.
Basti wurde plötzlich ganz flau im Magen. Natürlich kannte er Thomas. Sie hatten beide an der Humboldt-Uni studiert. Im Gegensatz zu ihm hatte Thomas durchgehalten. Ab und an gingen sie zusammen ein Bier trinken. Aber zum Glück wohnte Thomas nicht in der Gneisenaustraße. Obwohl sie ihm einen Schrecken eingejagt hatte, lachte Basti sich ins Fäustchen, dass das Rechercheass Witte eine falsche Fährte aufgenommen hatte.
»Thomas wohnt in Friedrichshain. Am Boxhagener Platz, wenn du es genau wissen willst«, fuhr er seine Kollegin an.
Witte ließ sich nicht beirren. »Er ist vor vier Wochen hierher gezogen. In die Dachgeschosswohnung.« Noch immer hielt sie ihr MacBook Air im Arm und stieß mit dem Zeigefinger der anderen Hand in Richtung Dachgeschoss. »Und nun ist er tot. Glaub mir. Ich bin schon ein bisschen länger hier als du«, stichelte sie.
»Dann ist der Tote im Dachgeschoss eben ein Namensvetter.« Basti brüllte jetzt so laut, dass sich die Schaulustigen nach ihm umsahen. Er merkte, wie seine Knie weich wurden und die Panik um seinen Magen strich. Da entdeckte er Hauptkommissar Becker, der gerade aus dem Haus kam. Basti ließ Witte stehen
Weitere Kostenlose Bücher