Mein Mann der Moerder
nicht Journalistin geworden bist.«
*
Nach meinem Besuch auf dem Friedhof fuhr ich zurück zu Tobias’ Elternhaus. Frau Hintsch war inzwischen vom Einkaufen zurückgekehrt. Als sie mir die Tür öffnete, schien sie kein bisschen überrascht, mich noch einmal zu sehen.
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich noch einmal störe. Aber Elena Rabe war meine Schwiegermutter und ich wusste nicht, dass sie gestorben ist. Ich meine also, ich, äh, also … Es gibt so viele Fragen«, stammelte ich.
Frau Hintsch nickte verständnisvoll. »Kommen Sie doch bitte herein.« Ihre Stimme klang fürsorglich wie die einer Krankenschwester. »Irgendwie habe ich damit gerechnet, dass Sie wiederkommen würden.«
Ich nickte stumm.
Bevor Frau Hintsch mich ins Haus ließ, bat sie höflich: »Würden Sie bitte die Schuhe ausziehen?«
Ich streifte meine Pumps von den Füßen, lief barfuß über die dunklen Fliesen. Im Flur stand eine wuchtige Bauerntruhe, die mir sofort ins Auge fiel. Ein altes Erbstück wahrscheinlich. Frau Hintsch führte mich ins Wohnzimmer. Ich war überrascht. Die rustikale Einrichtung passte nicht zu einer Frau Anfang vierzig. Alles in diesem Zimmer war schwer, teuer und aufdringlich. Eine Schrankwand aus massiver Eiche, die bestimmt drei Meter lang war, beherrschte den Raum. Die getönten Butzenscheiben der Schrankbar, die sich durch die Schnapsflaschen hinter dem Glas verriet, waren so blank gewienert, dass sich die Eckcouch darin spiegelte. Auf der hellen Auslegeware ruhten schwere Perserteppiche. Von der Decke hing ein Kronleuchter, keine Antiquität, sondern ein moderner Nachbau. Die Glühbirnen steckten in Plastikkerzen, an denen kleine Tropfen hingen, die Wachs imitieren sollten. Geschmackloser, teurer Kitsch. Alles war penibel aufgeräumt wie in einer Puppenstube, in der niemand wohnte.
»Setzen Sie sich doch«, sagte Frau Hintsch und deutete mit der Hand auf das Sofa. Es war jägergrün, mit einem groben Blütenmuster durchwirkt. Davor stand ein Tisch aus Eiche mit einer schweren Marmorplatte.
Frau Hintsch setzte sich mir gegenüber in den Sessel und sah mich aufmerksam an. Obwohl sie genau zu wissen schien, was mich quälte, wartete sie ab.
»Also, wie gesagt, Elena Rabe war meine Schwiegermutter. Ich war, ich meine, ich bin verheiratet mit ihrem Sohn Tobias.«
Frau Hintsch erlöste mich durch ein Nicken, also ging ich nicht weiter auf Tobias’ Tat ein.
»Seine Mutter habe ich nie kennengelernt.« Meine Güte, was brabbelte ich mir da zurecht? »Mich würde schon interessieren, warum, ich meine, die beiden hatten ja so gar keinen Kontakt zueinander.« Je länger ich redete, desto mehr verhaspelte ich mich.
»Frau Rabe hat uns das Haus verkauft, weil ihr Sohn Tobias es nicht erben sollte. Sie hat ihr Geld – soweit ich weiß – der Krebshilfe vermacht«, half mir Frau Hintsch.
»Und warum?«, hakte ich nach.
Die neue Hausherrin zuckte mit den Achseln. »Ich habe sie nie danach gefragt. Es schien ein wunder Punkt in ihrem Leben zu sein. Wissen Sie, ich komme nicht von hier, habe praktisch in dieses Dorf eingeheiratet. Deshalb bin ich ihrem Sohn auch nie begegnet. Mein Mann ist hier aufgewachsen und weiß sicher mehr. Doch er arbeitet als Ingenieur auf Montage und ist gerade für sechs Wochen verreist.«
Ich hatte das sichere Gefühl, dass Frau Hintsch nicht die Wahrheit sagte. Sie hatte mich aus Höflichkeit hereingebeten, wollte den Schein wahren, mir aber nichts verraten. Es wäre ihr lieb gewesen, wenn ich schnell wieder gegangen wäre. Deshalb machte sie auch keine Anstalten, mir Kaffee oder wenigstens ein Wasser anzubieten. Doch so schnell war ich nicht gewillt aufzugeben.
»Auf dem Friedhof habe ich gesehen, dass Tobias einen Bruder hatte. Wissen Sie etwas darüber?« Meine Stimme hatte einen fast flehentlichen Ton angenommen, der mir ein wenig peinlich war.
Frau Hintsch starrte auf ihren Teppich und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Kai Kunze, der Wirt vom Wagenrad, weiß sicher mehr. Er ist mit Tobias zur Schule gegangen.«
Angeblich war sie nicht von hier, wusste aber, wer mit wem zur Schule gegangen war.
Wir schwiegen. Es entstand eine unangenehme Pause.
Schließlich fragte ich mehr aus Verlegenheit: »An welcher Art von Krebs ist Elena eigentlich gestorben?«
»Darmkrebs«, antwortete Frau Hintsch.
Ich nickte.
»Wie gesagt, fragen Sie den Wirt vom Wagenrad, Kai Kunze. Alle nennen ihn nur KK. Seine Familie wohnt seit Urzeiten hier, hatte früher einen
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