Mein Mutiger Engel
in der Kehle. Sie hatte gewiss keine Dankbarkeit erwartet, aber sie fand, er könnte sich ruhig ein wenig erfreut zeigen, sie vielleicht sogar für ihre Findigkeit und Entschlossenheit loben. Stattdessen schien er wütend auf sie zu sein.
"Du hast für mich, einen wildfremden Mann, deine letzten Mittel geopfert, dein Leben und deinen guten Ruf aufs Spiel gesetzt? Du hast mir geglaubt, obwohl alles darauf hindeutete, dass ich ein gefährlicher Übeltäter war?" Nun klang seine heisere Stimme nicht mehr verärgert, sondern bewundernd. Sein glühender Blick ließ Katherines Herz höher schlagen, und auch der Kloß in ihrer Kehle löste sich wieder auf.
"Ja, ich glaubte an deine Unschuld. Schließlich hattest du dich während unserer gemeinsamen Nacht wie ein Gentleman betragen. Ich konnte nicht anders, ich musste einfach versuchen, dich zu retten."
"Komm her, Katherine."
"Was ist los? Scheuert der Verband an deinem Hals?" Besorgt näherte sich Katherine dem Bett. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, fasste Nick sie um die Taille, zog sie zu sich aufs Bett und küsste sie leidenschaftlich.
Dieser Kuss ließ sich nicht mit jener ersten Liebkosung im Gefängnis vergleichen. Langsam, mit sanftem Druck kosteten seine Lippen ihren Mund und entfachten glühendes Verlangen in ihr, sodass sie sich unwillkürlich enger an ihn schmiegte.
Katherine fasste nach seinen Schultern wie eine Ertrinkende, obwohl sie sich zugleich verzweifelt bemühte, nicht auch noch den letzten Funken Vernunft erlöschen zu lassen. Eben jene Vernunft sagte ihr, dass sie einen schweren Fehler beging. Sie durfte sich nicht von den sinnlichen Regungen, die frisch in ihr aufkeimten, überwältigen lassen!
Schließlich siegte ihre Willenskraft. Nick ließ sie sofort los, als sie ihn energisch von sich schob. "Nein! Nicht!", brachte sie mühsam hervor.
"Ich wollte dir danken, Katherine, nur fehlten mir die Worte dazu. Wenn du allerdings nicht willst, dass ich dich küsse, sollte ich mich vielleicht um passende Worte bemühen", sagte er ernst. "Du hast dich in Gefahr gebracht und deinen letzten Besitz verkauft, um mir das Leben zu retten. Das habe ich weder verdient, noch werde ich es dir je vergelten können. Ich hatte mich damit abgefunden zu sterben. Der Tod erschien mir ein gerechter Lohn für die vergangenen sechs Jahre meines Lebens, in denen ich mich von meinem Stolz leiten ließ und meine Pflichten missachtete. Jedenfalls dachte ich, dass ich mich damit abgefunden hätte. Doch als ich dich kennenlernte, musste ich feststellen, dass ich immer noch gewisse Sehnsüchte verspüre."
Katherine errötete, was ihm ein schelmisches Lächeln entlockte. "Nicht nur die Sehnsucht, dich zu küssen. Wenngleich ich dabei erst richtig fühle, wie schön das Leben ist."
"Das freut mich", erwiderte sie schlicht. "Dennoch finde ich, wir sollten in Zukunft nicht mehr … nicht mehr miteinander allein sein. Schließlich wird Arthur so bald wie möglich die Auflösung unserer Ehe in die Wege leiten."
"Unmöglich! Hast du den Anlass für unsere Vermählung schon vergessen? Womit willst du deine Schulden begleichen?"
Mit einem Schlag überfielen sie wieder ihre alten Ängste. "Vergessen habe ich sie nicht", stammelte sie, "aber in den vergangenen Tagen beschäftigten mich schwerwiegendere Probleme. Meine Gedanken drehten sich um nichts anderes, als dich vor dem Galgen zu retten."
"Und da du das getan hast, sind nun auch die Schulden nicht verfallen. Wir sollten so bald wie möglich die Stadt verlassen."
"Wir? Oh nein", erklärte Katherine fest. "Es handelt sich um meine Schulden, nicht um deine."
"Katherine, ich verdanke dir mein Leben! Glaubst du, das ist mir weniger wert als ein paar tausend Pfund?"
"Fünftausend", präzisierte sie unglücklich. "Jetzt droht dir zwar nicht mehr der Galgen, aber dafür der Schuldturm."
"Ich will unsere Ehe auf keinen Fall annullieren lassen, Katherine."
"Dann werde ich den Gläubigern eben sagen, dass sie nie vollzogen wurde."
Plötzlich schwand das Lächeln aus Nicks Gesicht. "Das würden sie dir niemals glauben. Und selbst wenn ich glaubte, dass du das wirklich vorhast, würde ich diese Behauptung unwahr machen, noch bevor du dieses Zimmer verlässt."
Katherine sprang auf und wich vom Bett zurück. "Nein!", rief sie mit blitzenden Augen. "Gut, heute werde ich sie nicht aufsuchen, und auch morgen nicht, Ehrenwort. Versprichst du mir dafür, dass du dich jetzt ausruhst?" Zur Antwort nickte er widerwillig. "Möchtest du etwas
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