Mein Mutiger Engel
schließlich verscheuchte er seine Fantasien und führte Katherine auf den Flur hinaus. Ihre Anspannung war förmlich greifbar.
"Möchtest du mir einen Gefallen tun und mir beim Einrichten des Hauses helfen?", fragte er auf der Treppe. Nun, da sie die Schlafzimmer verlassen hatten, wirkte Katherine deutlich ruhiger. Ein Gespräch über irgendein unverfängliches Thema wie etwa die Einrichtung würde ihr gewiss zusätzlich über ihre Befangenheit hinweghelfen.
"Gerne", willigte sie ein. "An diesen hübschen Zimmern brauchen wir nicht viel zu ändern, höchstens ein paar Möbel entfernen und leichtere Behänge anbringen."
Während er zusah, wie sie anmutig im Salon umherging, mit dem Finger die Rücken der Sofas entlangfuhr, eine Vase verrückte und an einem Vorhang zupfte, entspannte er sich ebenfalls. Er hatte sie mit dem Charme seines Hauses erobert. Liebst du mein Haus, liebst du mich. Sehnte er sich denn nach ihrer Liebe? Empfand er seinerseits Liebe für sie? Nicht bloß Zuneigung, Begehren?
Seine Gefühle für sie waren so allmählich gewachsen, dass er es selbst gar nicht bemerkte, zumal sie sich in keiner Weise mit jener jugendlichen Vernarrtheit vergleichen ließen, die vor Jahren zu seiner Verbannung geführt hatte. Und seine Liebe galt einer der wenigen Frauen im Königreich, die davor zurückschreckten, den Erben eines Herzogs zu heiraten. Einer Frau, die hartnäckig darum kämpfte, ihre schweren, ungerechten Bürden selbst zu tragen, obwohl sie sie leicht auf fremde Schultern abwälzen könnte.
Inzwischen hatte Katherine ihren Rundgang beendet und kam wieder zu ihm zurück. "Vierundzwanzig Tage sind eine knappe Frist, um neue Stoffe zu bestellen", meinte sie stirnrunzelnd.
"Vierundzwanzig Tage?", wiederholte er verständnislos. "Ach so, die Zeit bis zu deiner Abreise." Nur über meine Leiche. "Wahrscheinlich brauchst du gar nichts zu bestellen. Nimm einfach alles, was du benötigst, aus dem Schloss. Mrs. Arbuthnot, die Haushälterin, verfügt über einen unerschöpflichen Vorrat an alten Schätzen, und mein Vater kann uns fürs Erste einige seiner Bediensteten überlassen. Nichts hindert uns daran, schon morgen einzuziehen." Da er merkte, dass ihr etwas auf dem Herzen lag, fügte er in lockerem Ton hinzu: "Mrs. Arbuthnot wird mit einem ganzen Bataillon von Dienstmädchen herüberkommen, um die Schlafzimmer ordentlich zu lüften, falls du dir deswegen Sorgen machst."
"Nein, das ist es nicht!", erwiderte sie scharf. "Obwohl du natürlich auf keinen Fall einen Rheumaanfall erleiden sollst, Gott bewahre! Nick, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie mehr als sechs Dienstboten beaufsichtigt. Wie soll ich mit dem zahlreichen Personal fertig werden, das wir für dieses Haus einstellen müssen?"
"Ernenne Jenny zur Haushälterin", schlug er vor. Ein wahrer Geistesblitz, wie sich herausstellte, denn Katherine wirkte mit einem Schlag wieder heiter und entspannt.
"Oh ja! Was für eine kluge Idee, Nick! Gemeinsam werden wir es schon schaffen", rief sie. Dann hakte sie sich bei ihm unter und zog ihn zur Eingangstür. "Lass uns gehen, ich will mich gleich an die Arbeit machen."
Nick folgte ihr schmunzelnd. Insgeheim bereitete es ihm großes Vergnügen, sich von seiner Gattin lenken zu lassen. Nun musste er nur noch dafür sorgen, dass sie es ein ganzes Leben lang tat und nicht bloß vierundzwanzig Tage.
"Jenny!" Katherine rauschte so stürmisch in ihr Schlafzimmer, dass ihre Zofe zusammenfuhr und einen Stapel frisch gewaschener Hemden fallen ließ.
"Sehen Sie, was Sie angerichtet haben, Miss Katherine", murrte sie, während sie die Wäsche wieder aufhob. "Was gibt es denn? Sie wirken so fröhlich."
"Ich habe das Witwenhaus besichtigt. Oh, Jenny, es ist einfach bezaubernd! Morgen soll der Umzug stattfinden, und ich möchte dich bitten, uns als Haushälterin zu dienen. Für einen entsprechend höheren Lohn, selbstverständlich."
Was die Bezahlung betraf, winkte Jenny großzügig ab. "Wie lange denn, Miss Katherine?"
"Ach, bloß bis zu meiner Abreise", erwiderte Katherine. "Vierundzwanzig Tage."
"So lange müssen Sie warten, bis der gnädige Herr überhaupt in eine Annullierung einwilligt. Wer weiß, wie lange der Vorgang sich dann noch hinziehen wird. Und wohin gedenken Sie anschließend zu gehen?"
"Das weiß ich noch nicht", gestand Katherine müde. Mit einem Mal verflog die Hochstimmung, in die der Ausritt und das Witwenhaus sie versetzt hatten. "Ich muss mir irgendetwas einfallen lassen. Außerdem,
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