Mein mutiges Herz
mit meinen Problemen alleine fertig und brauche Ihre Hilfe nicht.“
Thor starrte sie an. „Wäre es Ihnen lieber gewesen, dass der Mann Sie noch mehr beleidigt? Stört es Sie nicht, dass er Sie beschuldigt, mit Mist zu tun zu haben?“
Sie bekam große Augen. Dann zogen sich ihre Mundwinkel hoch. „Natürlich hat mich das gestört. Aber ich wäre allein mit ihm fertig geworden.“
„Gut. Das nächste Mal, wenn ein Mann Sie beleidigt, höre ich einfach nicht hin. Ist Ihnen das lieber, meine Dame?“
Sie sah ihm einen Moment unverwandt in die Augen, bevor sie den Blick abwandte. „Ja, das wäre mir entschieden lieber. Ich brauche weder von Ihnen noch von irgendwem sonst Hilfe.“
Thor schüttelte den Kopf. „Störrisch wie ein hässliches Pferd.“
„Sie meinen wohl ein Maultier“, korrigierte sie ihn.
„Gut, dann eben störrisch wie ein Maultier.“
Lindsey warf ihm einen letzten giftigen Blick zu, machte kehrt und entfernte sich.
Verdammtes Frauenzimmer, dachte Thor und versuchte, nicht auf ihre schwingenden Hüften unter den weiten Röcken zu achten und die Frage zu verdrängen, ob seine Hände ihre schmale Mitte umfassen könnten. Sie war schlank und flach wie ein Brett. Wieso ihm ihr Gang überhaupt auffiel, konnte er sich nicht erklären.
Allerdings musste er gestehen, dass ihr Gesicht hübsch war und ihre helle Haut schimmerte wie Perlmutt. Ihr brünettes Haar glänzte honigfarben im Sonnenlicht, das durchs Fenster fiel.
Zähneknirschend registrierte er, wie ihn blitzartig Begehren durchfuhr, was ihn erheblich störte. Gereizt begab er sich wieder nach hinten und stapelte die restlichen Kisten und Kartons auf.
Diese Lindsey Graham interessierte ihn nicht, sie war nicht sein Typ, nicht im Geringsten. Doch als sie das Büro in ihrem anmutigen Gang durchquerte, folgte Thors Blick ihr erneut.
Lindsey überflog ihre Notizen zu einem Artikel für die nächste Ausgabe der Zeitschrift. Im Hintergrund der großen Halle, in der die Stanhope Presse stand, konnte sie hören, wie Thor die gebundenen Zeitschriftenstapel, die morgen ausgeliefert werden sollten, auf Handkarren lud.
Krista lag dieser Artikel besonders am Herzen, das wusste Lindsey. Die Freundin trat vehement für ein Verbot privater Pflegestellen für Säuglinge ein. Ledige Mütter lieferten ihre Neugeborenen gegen geringes Entgelt bei alleinstehenden Frauen ab, um der Schande einer unehelichen Geburt zu entgehen. Diese Pflegemütter, meist verarmte Witwen, versorgten die Kinder kaum mit dem Nötigsten, gaben ihnen mit Kalk gestreckte Milch zu trinken, und die meisten der armen Würmer starben bereits nach wenigen Wochen. Damit war für die leiblichen Mütter ein lästiges Problem aus der Welt geschafft, und die gefühlskalten Pflegemütter brachten ein paar Groschen für ihren eigenen Lebensunterhalt auf die Seite.
Ihre gemeinsame Freundin Coralee Whitmore Forsythe hatte diese unmenschlichen Zustände aufgedeckt, während sie nach dem Mörder ihrer Schwester suchte. Solange Coralee mit ihren Nachforschungen beschäftigt war, hatte Lindsey ihre Gesellschaftskolumne für das Magazin übernommen. Im Augenblick befand Coralee sich mit ihrem frisch angetrauten Gemahl, dem Earl of Tremaine, auf Hochzeitsreise. Nach ihrer Rückkehr wollte das Paar sich weiterhin für Kristas Kampf gegen diese abscheulichen Praktiken der Kindesmisshandlung einsetzen.
Lindsey warf einen Blick durch die offene Tür in die Halle und sah Thor bei der Arbeit zu. Er wuchtete die schweren Stapel auf einen Karren, als seien sie federleicht. Die körperliche Anstrengung schien ihm großen Spaß zu machen, denn die niederen Dienste eines einfachen Arbeiters verrichtete er sichtlich gern.
Er war weniger lerneifrig als sein älterer Bruder Leif. Verglichen mit seinem Bildungsstand vor zwei Jahren hatte er allerdings große Fortschritte gemacht. Sie wusste nicht viel über ihn, nur, dass er von einer winzigen Insel nördlich der Orkneys stammte. Er sprach leidlich gut englisch mit einem kaum merklichen nordischen Akzent. Mittlerweile konnte er auch lesen und schreiben, und Krista und ihr Vater hatten ihm die Grundregeln guten Benehmens beigebracht, um sich in der vornehmen Gesellschaft zu bewegen.
Aber im Grunde genommen war der Mann ein ungehobelter Barbar, der keinerlei Interesse an Kunst, Theater und Oper zeigte und nicht den geringsten Wunsch hatte, Konzerte, Liederabende, Soireen und Bälle zu besuchen, wie es Lindsey so liebte. Als Gesellschaftskolumnistin von Heart
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