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Mein mutiges Herz

Mein mutiges Herz

Titel: Mein mutiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: KAT MARTIN
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Atem. Sobald Rudy auf der Matratze lag, fielen ihm die Augen zu, und er begann augenblicklich zu schnarchen.
    „Der junge Herr scheint die Nacht durchgemacht zu haben.“
    „Ja, und es wäre nicht das erste Mal, wie wir wissen.“
    „Er ist eben lebenslustig und ungestüm, das legt sich.“
    „Ich hoffe nur, dass seine Lebenslust ihn nicht in Schwierigkeiten bringt.“
    Benders nickte nur und zog an der Klingelschnur, um Mr. Peach zu rufen, Rudys Kammerdiener, dem die Aufgabe zuteil war, ihn zu entkleiden und zuzudecken.
    Seufzend verließ Lindsey das Zimmer. Gottlob hatte Tante Dee den beschämenden Auftritt ihres Bruders nicht miterlebt. Bei aller Toleranz konnte ihre Tante Betrunkene, die aus der Rolle fielen, nicht ausstehen.
    Lindsey saß an ihrem Schreibtisch und machte sich Notizen über den Penrose Ball für ihre Kolumne. Sie beschrieb gerade die Pracht der kunstvollen Chrysanthemengestecke in den hohen bauchigen Vasen, die Blumenkränze, mit denen die Marmorsäulen geschmückt waren, die riesigen goldgerahmten Spiegel an den Wänden des Ballsaals, der dem Spiegelsaal in Versailles nachempfunden war, als Rudy in die Redaktionsräu me von Heart to Heart stürmte wie ein Wirbelwind. Er wirkte bleich unter seinen Sommersprossen, der Blick seiner braunen Augen irrte verstört hin und her.
    „Lissy … ich muss dich dringend sprechen.“ Er nannte sie wie damals, als er noch ein kleiner Junge war und Lindsey nicht aussprechen konnte, ein Kosename, den er kaum noch benutzte. Sie fuhr auf und sah ihn erschrocken an.
    „Du meine Güte, was ist passiert? Du siehst aus, als würdest du jeden Moment in Ohnmacht sinken.“
    „Ich bin ein Mann, Lindsey – Männer fallen nicht in Ohnmacht. Aber ich … ich … muss dich unter vier Augen sprechen.“
    Etwas in seinen weit aufgerissenen Augen erinnerte sie an den kleinen Jungen, der er einmal war. Lindsey erhob sich und lud ihn ein, sie ins obere Stockwerk zu begleiten. Rudy folgte ihr in das kleine Kabinett, in dem die Bücherschränke bis zur Decke reichten. Professor Hart benutzte es als Arbeitszimmer, wenn er sich in London aufhielt.
    Lindsey schloss die Tür und drehte sich um. „Erzähle, warum bist du so furchtbar aufregt?“
    Rudy holte tief Atem, um sich zu beruhigen. „Heute Vormittag war die Polizei bei mir.“
    „Wie bitte?“
    „Ein Constabler namens Bertram. Er leitet die Ermittlungen in den Mordfällen in Covent Garden.“
    „Was, in aller Welt, wollte Constabler Bertram von dir?“
    Als würden seine Beine ihn nicht länger tragen, ließ Rudy sich schwer auf einen schlichten Holzstuhl vor dem zerkratzten Eichenschreibtisch des Professors fallen. „Er stellte mir Fragen im Zusammenhang mit dem neuen Mordfall. Eigentlich über beide Mordfälle.“
    „Wieso denkt die Polizei, du könntest etwas über diese Morde wissen?“
    „Es kommt noch schlimmer. Die Polizei … ehm … geht anscheinend davon aus, ich könnte etwas damit zu tun haben.“
    Ein eisiger Schauer kroch Lindsey über den Rücken. „Wieso solltest du in einen Mord verwickelt sein?“
    Rudy schaute kreuzunglücklich zu ihr hoch. Auf seiner Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. „Man scheint mich für einen Verdächtigen zu halten, Lindsey. Der Mann tat so, als hätte ich die Verbrechen tatsächlich begangen.“
    Entsetzt sank Lindsey auf den zweiten Stuhl, ihr Herz schlug dumpf gegen ihre Rippen. „Wie kann er …“ Sie befeuchtete ihre trocken gewordenen Lippen. „Wie kommt er denn darauf?“
    Rudy wandte den Blick aus dem Fenster in den grau verhangenen Himmel. Der Herbst zeigte sich nun von seiner unfreundlichen Seite. Es war kühler geworden, und bald würde es Regen geben.
    „Ich kannte sie“, murmelte er, „… die Frau, die ermordet wurde.“
    Lindsey furchte die Stirn. „Aber es heißt doch, die Frau sei ein … ein Freudenmädchen gewesen.“
    Er schaute noch unglücklicher drein. „Mir sagte sie, sie sei Schauspielerin. Wir… ehm… haben uns bei einem Fest bei Tom Boggs kennengelernt.“
    Tom Boggs. Der verwöhnte jüngste Sohn eines Earls war ein zügelloser Lebemann. Seit Rudy Umgang mit Tom und seinen zweifelhaften Freunden pflegte, hatte er sich verändert. Und nun stellte sich heraus, dass er sich auch noch mit einer Prostituierten eingelassen hatte. Lindsey lernte eine Seite an ihrem Bruder kennen, die sie nicht in ihm vermutet hätte.
    Andererseits durfte eine wohlerzogene junge Dame aus gutem Hause nichts über Prostitution und derlei geschmacklose

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