Mein Name ist Afra (German Edition)
fest schien wie niemals zuvor, streifte schon ein ungarischer Krieger auf einem vollmähnigen, graubraunen Hengst durch Baiern und Schwaben, und dieser fremdartige Anführer eines grausamen und wilden Volkes schickte sich an, mir meine Freundin für immer zu nehmen.
Mitten im Sommer kehrten einige Männer unseres Gaus zurück, darunter der Burgvogt Wichard und der Herr von Dornau, und einen Tag nach ihnen folgte ein Trupp von ungarischen Kriegern, denen es Arbeo gestattet hatte, ihre Zelte gegenüber von seinem Gut am steinigen Ufer der Lecha aufzuschlagen. Mit vielen, schönen Worten beruhigte Arbeo den Meier von Pitengouua und den Haslachbauern Chuonrad, die keine fremden Krieger in ihren Wäldern und auf ihren Wegen dulden wollten, und schließlich überzeugte er sie davon, daß die Anwesenheit der verbündeten Ungarn im Gau Schutz und Sicherheit vor anderen Reiterscharen versprach und keinem von uns ein Leid geschehen werde.
„Der Anführer dieser Truppe ist ein gebildeter Mann, der unsere Sprache spricht und nichts von wahllosen Plünderungen und blinder Gewalt hält! Er nennt sich Arpad, weil er aus dem berühmten Fürstengeschlecht desjenigen stammt, der das ungarische Volk zusammengeführt und begründet hat, und er ist ein so guter Christ wie jeder von uns! Seine Krieger folgen ihm blind und werden seinen Anweisungen gehorchen, und wenn wir ihnen erlauben, in unseren Wäldern zu jagen und in unseren Seen und Flüssen zu fischen, dann werden sie uns nicht behelligen, solange sie sich an der Lecha aufhalten. Graf Arnulf von Baiern und sein Sohn Perchtold schenken diesem Arpad ihr Vertrauen, und diese Herren werden wohl wissen, was das Richtige ist!“
Das waren die Worte des Gutsherrn Arbeo, und den Pitengouuern blieb nichts anderes übrig, als in seinen Vorschlag einzuwilligen, weil die Ungarn schon unterwegs und durch nichts mehr aufzuhalten waren. Noch immer bestand die Fehde zwischen König Otto und seinem Sohn Liudolf und dessen Anhängern, wenn auch das Zusammentreffen der feindlichen Heere in Schwaben, als der König eindringende ungarische Reiterscharen von der bairischen Grenze vertreiben wollte, durch die Vermittlung der Bischöfe von Augusburc und Chur, Udalrich und Hartpert, ohne blutigen Kampf mit einem Waffenstillstand beendet worden war, und noch immer waren die Ungarn die Verbündeten der aufständischen Baiern und Schwaben und damit auch die Verbündeten von Pitengouua.
Um zu der hinter dem Weinland am Doswald gelegenen Furt der Lecha zu gelangen, mußten die Reiter entlang der Pitenach durch das Dorf, und unsere Männer begrüßten die Krieger und wurden von Arbeo ihrem Anführer Arpad vorgestellt. Der Altmeier Wezilo hatte sich streng geweigert, den ehemaligen Feinden irgendeinen Gruß zukommen zu lassen, und Richlint und ich schlossen uns mit meinem alten Vater in der Stube des Meierhofes ein, um nicht in die Augen der Mörder unserer Mütter sehen zu müssen. Bei den meisten Dorfleuten jedoch verdrängte die große Neugierde auf Aussehen und Gebaren der fremden Reiter die uralte Furcht in den Herzen, und sie drängelten entlang des Baches, einer hinter dem Rücken des anderen Schutz suchend, um einen Blick auf die in Staub gehüllte ungarische Kolonne zu werfen.
Voller Verachtung für die Vergeßlichkeit des gemeinen Volkes, saß Wezilo still betend neben der Feuerstelle, und Richlint und ich hielten uns schweigend an den Händen und horchten auf den von draußen dringenden Lärm, die aufgeregten Stimmen der Menschen, den Hufschlag vieler Pferde und den harten Klang von Lauten einer uns völlig fremden Sprache. Meine Tochter Ella saß verängstigt neben mir auf der Bank und schmiegte ihren Kopf an meine Seite, und ich legte meinen Arm um die schmalen Schultern und drückte mein Kind fest an mich. In diesem Augenblick erst bemerkte ich, daß mein kleiner Sohn nicht bei uns in der Stube war, und voller Schrecken rief ich laut seinen Namen und rannte ohne lange zu überlegen hinaus auf den Hofplatz, um nach Agilolf zu suchen.
Draußen am Bach entlang zogen in ungleichmäßigen Abständen Gruppen von ungarischen Kriegern, kleine und sehnige Männer mit sonnenverbrannten, bartlosen Gesichtern und meist langen, lose zusammengebundenen dunklen Haaren, ein jeder von ihnen hatte einen ledernen Köcher voller Pfeile auf dem Rücken und einen Bogen aus Holz und Horn am Sattel hängen, und ihre Füße steckten in hohen Stiefeln aus weichem Leder. Sie waren nicht halbnackt, so wie ich mir die
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