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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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Bisenberg. Im Süden konnten sie das Gebirge sehen, eine weiße Kette von hohen Bergen, über deren Pässe der Graf schon einmal nach Rom, der Stadt des Papstes, geritten war. Der Bichl war noch höher als der Meierberg, und als sie ganz oben standen und über die Landschaft schauten, versprach  Eticho Folchaid, hier eine feste Burg aus Stein zu bauen, wo er mit ihr und den Kindern leben wollte. Diese Burg sollte die größte und schönste im ganzen Gau werden, ein Bauwerk, wie die Leute hier es noch nie gesehen hatten, mit einer hohen Mauer aus Stein und einem tiefen Graben ringsum, mit mehreren Wachtürmen und einem Haupthaus, das aus zwei Ebenen bestand, so wie Eticho es auf seiner Pilgerreise bei einer Burg im Süden, im Tal der Eisack, gesehen hatte. Als die vor Glück strahlende Folchaid am Abend allen davon erzählte und der Graf schon die genauen Pläne mit seinem Burgvogt Wichard besprach, fiel es der falschen Uoda sichtlich schwerer, ihr freundliches Lächeln weiter beizubehalten, obwohl sie sich sehr beherrschte und kein böses Wort über ihre Lippen kam, bemerkte die aufmerksame Richlint doch, wie wenig der Frau des Burgvogts dieses Vorhaben gefiel.
    All das hatte ich von Richlint erfahren, die jetzt auf dem Weg zu Justina still neben mir herlief, mit verschlossenem Gesicht und ohne mich ein einziges Mal anzusehen. Ihr Leben hatte sich seit den Wochen auf dem Meierberg gewaltig geändert, denn kurz darauf, nachdem die Familie wieder ins Dorf gezogen war,  kam Eticho grausam ums Leben, und alle schönen Träume von einer besseren Zukunft für sie und ihre Familie verflogen wie Spreu im heftigen Wind.
    Als wir an der schmalen Furt des Baches anlangten, die wir überqueren mußten, um nach Westen ins Weinland zu gelangen, fing Richlint zu sprechen an, und ihre leise Stimme klang verbittert. „Ich versteh´ es nicht, Afra, solange und soviel ich auch darüber nachdenke! Ein Mensch kann sich doch nicht so verstellen! Liutbirc war so freundlich zu mir, so besorgt und fast liebevoll, sie ließ mich ihre schönen Gewänder anprobieren, sie zeigte mir ihren kostbaren Schmuck, sie lehrte mich ein neues Würfelspiel, wir waren dauernd zusammen oben auf der Burg, fast wie Schwestern! Ich hatte schon vergessen, wie niederträchtig sie und ihr Bruder früher zu mir waren, wie Wichard mich geschlagen hat, daß das Blut über mein Gesicht lief, wie Liutbirc deiner Mutter unsere geheimen Spiele verraten hat! Ich wollte daran glauben, daß sie sich beide geändert und ihr Unrecht eingesehen haben, und daß sie jetzt alles wieder gut machen und ehrlich mit mir sein wollen!“
    Richlint blieb stehen und packte mich am Arm. „Es war nur, weil mein Vater dabei war, verstehst du, nur weil Eticho uns beschützt hat, weil er meine Mutter heiraten und zu einer freien Frau machen wollte! Nur vor den Augen meines Vaters waren sie freundlich zu uns, in Wahrheit haben sie uns alle immer gehaßt und verachtet! Und jetzt, wo der Graf tot ist und uns nicht mehr beschützen kann, jetzt sind sie wieder wie früher, voller Hin terlist und so böse, sie werden uns weit fort bringen zu einem neuen Herrn, in ein fernes Kloster, weit weg von Pitengouua, und wir beide werden uns nie wieder sehen in diesem Leben!“
    Richlint weinte. Die Tränen liefen über ihr schmales Gesicht, und sie wischte sie nicht fort, sondern hielt sich mit beiden Händen an mir fest, und ihr dünner Körper bebte vor Schluchzen. „Afra, ich will nicht weg von dir! Ich will nicht allein sein mit Mutter und den zwei Kleinen! Rasso wird sowieso bald gehen, er spricht den ganzen Tag nur noch davon, im Dienst des Herzogs weit weg in ein fernes Land zu gehen, und alleine mit Mutter in einem fremden Dorf halte ich es nicht aus. Du bist die Einzige, die immer auf meiner Seite gestanden hat, ganz gleich, wer mein Vater ist oder war, du warst immer meine Freundin, du mußt mir helfen, du mußt mit mir zusammen fliehen!“ Sie holte tief Luft und sah mir fest, fast beschwörend, in die Augen, meine Hände ließ sie nicht los, sondern klammerte sich so daran, daß es richtig weh tat. „Justina wird wissen, was wir tun sollen. Sie wird wissen, wohin wir gehen können, in welchem Land wir eine Möglichkeit zum Leben haben. Wir werden Justina fragen! Bitte, Afra, bitte, sag´ ja, sag´, daß du mich nicht alleine läßt!“
    Schon oft hatte Richlint davon gesprochen, aus Pitengouua wegzugehen, davonzulaufen aus ihrem Dasein voller Abhängigkeit und Unfreiheit, wenn es auch

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