Mein Name ist Afra (German Edition)
lebensgefährlich und strengstens verboten war, doch in der letzten Zeit, als ihr Vater auf der Burg weilte und es der ganzen Familie so gut ging wie nie zuvor, hatte sie kein Wort mehr darüber verloren. Doch als vor wenigen Wochen die Nachricht kam, daß der alte Graf Roudolf und sein Sohn und Nachfolger Eticho, die mit Herzog Berthold an der Donua gegen die wilden Ungarn gezogen waren, in einen arglistigen Hinterhalt geraten und beide ums Leben gekommen waren, änderte das Richlint´s Leben völlig. Denn jetzt brauchten sich Wichard und Uoda nicht mehr zurückzuhalten, brauchten keine Angst mehr zu haben, auf der Burg oben von Folchaid verdrängt zu werden. Jetzt konnten sie ihren Haß auf die Unfreie und ihre Kinder offen zeigen, jetzt hatte Eticho´ s Familie ihren Beschützer verloren und stand al lein. Schon sprach der Burgvogt davon, die Familie gegen andere Leibeigene zu tauschen oder gegen Land oder Güter zu verkaufen, denn in Pitengouua hätten sie nichts mehr verloren und würden doch nur Unfrieden stiften, und zur Arbeit taugten sie sowieso nicht. Allein mein guter Vater Wezilo erhob Einspruch und weigerte sich, denn er hatte nichts gegen Folchaid und ihre Kinder, und ohne Eticho´s Nachfolger, den neuen Grafen Roudolf zu befragen, wollte er mit diesem Handel nichts zu tun haben. Und das Wort Wezilo´s als Meier von Pitengouua galt nicht wenig, so daß die Entscheidung aufgeschoben wurde, bis endgültige Nachricht von Graf Roudolf kam, und in dieser Ungewißheit mußte die Familie nun die nächste Zeit leben.
Zu ihrem tiefen Kummer über den Tod Eticho´s, den gerade die Kinder in den letzten Wochen lieben gelernt hatten, kam nun die harte Behandlung durch die Burgleute, die keine einzige Gelegenheit ausließen, ihre Macht zu zeigen und Folchaid zu verletzen. Bei der Heiligen Messe, die für Eticho´s Seele gehalten wurde, standen sie, die ihr Bett noch vor kurzem für den Grafen und Folchaid räumen mußten, ganz vorne bei der Altarschranke, wie es ihrem Rang entsprach, und Folchaid mit Rasso und Richlint mußte von ihrem Mann und dem Vater ihrer Kinder draußen Abschied nehmen, denn in der kleinen Kirche war bei diesem Anlaß für Leibeigene kein Platz.
Als die Leute von Pitengouua merkten, wie die Bewohner der Burg sich verhielten, und daß kein Tag verging, an dem sich Uoda und Liutbirc nicht irgendeine Gemeinheit ausdachten, um Folchaid und Richlint daran zu erinnern, daß sie jetzt nur noch Unfreie ohne jede Hoffnung waren, änderten auch sie ihr Verhalten gegenüber der Familie und behandelten sie schlechter als je zuvor. Sogar die Kinder im Dorf bemerkten die neue Stimmung, und sie hänselten den kleinen Eticho, wenn er mit ihnen spielen wollte, machten sich lustig über sein winziges Holzschwert, auf das er doch so stolz war, und schubsten ihn einfach in den Dreck, wenn er ihnen beim Spiel im Wege stand. Darüber geriet der Kleine so sehr in Wut, daß er den anderen Kindern drohte, sein Spielschwert gegen das eiserne Schwert seines großen Bruders zu tauschen und sie damit alle niederzumachen. Die Empörung der Frauen daraufhin war groß, und Wichard forderte von Rasso das Schwert, das ein Geschenk Eticho´s war, damit der Kleine keinen gefährlichen Unsinn damit treiben konnte. „Als Knecht gibt es keine persönliche Habe für dich,“ sagte Wichard, „und ein richtiges Schwert wirst du bei der Landarbeit kaum brauchen, da reicht wohl eine Sense und ein hölzerner Rechen!“ Mit verschlossenem Gesicht und ohne ein Wort gab Rasso das Schwert heraus, denn es blieb ihm nichts anderes übrig. Aber Folchaid, Richlint und ich wußten, wie schwer es ihm fiel, denn wir kannten seinen Traum, ein tapferer Krieger des Herzogs zu werden. Als Unfreier mit Sense und Rechen war das nicht möglich, und Rasso wurde in den folgenden Tagen und Wochen immer einsilbiger, es zeigte sich kein Lächeln mehr auf seinem hübschen Gesicht und er zog sich von uns allen zurück und war lieber allein.
Ich selber war auch nur ein Kind, ein Mädchen dazu, und ich konnte an den Tatsachen nichts verändern, wenngleich ich oft mit meinem Vater über Richlint und ihre Familie sprach und ihn flehentlich darum bat, alles für sie zu tun, was in seiner Macht lag. Aber wenn er auch der Meier von Pitengouua war, so hatte er doch dem Grafen zu gehorchen, und von dessen Wort hing alles ab, und auf dieses Wort ließ er uns sehr lange warten.
Als sich Richlint auf dem schlammigen Weg zum welschen Gutshof an mich klammerte, als sie
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