Mein Name ist Afra (German Edition)
Freude, und als das größere der beiden Mädchen auf ihn zuging und immer wieder über das weiche, lockige Fell fuhr und den großen, schweren Kopf mit den schwarzen Lefzen und den bedrohlichen, weißen Reißzähnen in beide Hände nahm und an ihre Brust drückte, legte sich der Hund vor den Kindern auf den Rücken und wollte sich auch den Bauch kraulen lassen. „Siehst du, Afra, Justina ist zuhause,“ sagte die zierliche Richlint mit froher Stimme zu ihrer Freundin, die neben dem Hund auf dem Boden kniete und ihn liebkoste. „Sie merkt es, wenn wir sie brauchen, und dann ist sie nie weit weg!“ Die Erleichterung, daß der Weg nicht umsonst und Justina, die viel unterwegs war, heute im Gutshof geblieben schien, war der kleinen Richlint deutlich anzumerken, und endlich tauchte wieder ein Lächeln in ihrem traurigen Gesicht auf, als jetzt im Tor die Herrin des großen Hundes zu sehen war.
Justina trug eine einfache, graue Tunika über ihrem Unterkleid, die ihre Arme bis zum Ellbogen frei ließ, und trotz des noch ziemlich kalten Wetters war sie barfuß und schien auch nicht zu frieren. Ihre schwarzen, dichten Haare hatte sie mit einem gewebten Band zusammen gebunden, und obwohl ihre dunklen Augen mit tiefer Sorge auf der kleinen Richlint lagen, begrüßte sie doch die beiden Mädchen unbeschwert und heiter. „Oh Göttin, wie seht ihr zwei denn aus! Da könnt ihr euch ja den Tod holen, so naß wie ihr seid, und ein kalter Wind tut das Seine! Kommt rein, kommt rein, ich bereite gerade frischen Kräutersud und habe eine Menge heißes Wasser auf dem Herd, da werde ich euch ein warmes Bad bereiten und eure schmutzigen Sachen auswaschen!“
Glücklich über die warmen Worte von Justina folgten die Mädchen ihr ins Innere der Anlage, und nachdem der große weiße Hund merkte, daß jetzt keine weiteren Liebkosungen mehr folgten und alle ins Haus gingen, streckte er sich lang und genüßlich, gähnte mit blitzenden Zähnen im weit offenen Maul und trottete dann den Menschen gemächlich hinterher.
Durch das runde, gemauerte Tor ging es direkt ins Haupthaus des Gutes, ein großes, langgestrecktes Gebäude mit mehreren Räumen, die durch einen überdachten, viereckigen Säulengang, der einen kleinen Innenhof mit einem Brunnen umschloß, auf der Südseite miteinander verbunden waren. Die Zimmer hatten alle Decken aus dunklen Holzbalken, die teilweise geborsten und herabgebrochen waren, und an diesen Stellen fiel Licht von draußen herein und Schnee und Regen im Winter, so daß das Dach immer mehr einbrach und Haufen von roten Ziegeln und Schutt auf den schönen, glatten Schieferböden lagen. Durch die Fenster, die früher mit Glas verschlossen waren und durch die jetzt der Wind in die Zimmer fegte, kam genügend Tageslicht herein, so daß die Mädchen die herrlichen Wandmalereien, in rot und grün, ockergelb und weiß, die symmetrischen Linien und die bunten Muster der früheren welschen Bewohner bewundern konnten. Immer wieder bei ihren Besuchen waren die beiden von den farbigen Fresken beeindruckt, und besonders das ehemalige Speisezimmer mit seinem in geometrischen Mustern angelegten Fliesenboden, den gemauerten Ruhebänken und der grünweißen, wunderschönen Malerei hatte es ihnen angetan. Doch heute konnten sie nicht lange vor den Wandbildern verweilen, naß und durchfroren, wie sie waren, drängte Justina sie zum Badehaus, das mitten im großen Hofgelände lag, zwischen dem Haupthaus mit dem quadratischen Säulengang und den Wirtschaftsgebäuden im Süden, in denen Justina mit ihren vielen Tieren lebte.
Das Bad war von außen ein schlichtes, rechteckiges Gebäude, mit einem runden Erker an der Mitte der Längsseite und gemauerten, ehemals weiß gekalkten Wänden und rotem Ziegeldach wie die anderen römischen Häuser der Anlage. An einer Wand waren sauber mit dem Beil zurecht gehauene Holzscheiter gestapelt, um immer genügend Brennholz für den Ofen bereit zu halten, der das Badewasser erwärmte, und auf und um diese Holzbeige saßen und lagen mehrere Katzen, schwarze, dreifarbige und braungestreifte, die gemütlich das Frühjahrslicht genossen und Justina beim Zusammenstellen der Kräuter für ihre verschiedenen Heilmittel Gesellschaft geleistet hatten. Auch im Dorf Pitengouua gab es jede Menge Katzen in allen Farben, die als fleißige Mäusejäger in den Vorratsschuppen und zum Vertreiben der Vögel aus den Bauerngärten geschätzt wurden, aber es würde keinem Menschen dort einfallen, diese eigenwilligen
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