Mein Name ist Afra (German Edition)
wunderschönen Land, daß ich manchmal meine, selbst dort gewesen zu sein, und es verwundert mich heute nicht mehr, daß sie nach einigen Jahren hier einging wie eine Pflanze ohne Wasser und Licht, als dieser Mann aus Pitengouua sie unbedingt haben wollte und mit in das rauhe Land Baiern nahm.“
Es war sehr still im Baderaum, als Justina geendet hatte. Jede der drei hing ihren eigenen Gedanken nach, und erst nach langer Zeit schien die junge Frau, die wohl an ihre tote Mutter gedacht hatte, wie aus einem tiefen Traum wieder zu erwachen. „Ich rede und erzähle, und dabei ist euer Badewasser kalt geworden! Raus mit euch zweien, hier habt ihr ein Stück Leinenstoff zum Abtrocknen, rubbelt die Haut nur tüchtig, das bringt das Blut zum Fließen!“
Die Mädchen stiegen aus der steinernen Wanne und trockneten sich ab, während Justina die nassen Sachen der beiden draußen an die Büsche zum Trocknen hängte und zwei ihrer eigenen Kittel holte, damit die Kinder etwas zum Überwerfen hatten, bis ihre Kleider wieder ganz trocken waren. Lustig sahen sie aus in den viel zu großen Sachen von Justina, besonders die kleine, dünne Richlint, die leicht zweimal in ihren groben Wollkittel gepaßt hätte und jetzt übermütig wie eine eingebildete Burgdame auf und ab stolzierte und dabei mit großen, übertriebenen Gesten ihr Kleid raffte, um nicht darüber zu fallen. Afra lachte laut. „Wie Liutbirc, du gehst genauso wie Liutbirc, wenn sie am Sonntag zu uns herunter in die Kirche kommt und will, daß alle sie bewundern!“
Richlint blieb stehen und ließ langsam ihre Arme sinken. Der Name Liutbirc hatte sie wieder an den Grund ihres Besuches erinnert, den sie bei den Erzählungen von Justina über das Land Tuscia und das Meer beinahe vergessen hatte, und ihre braunen, großen Augen füllten sich mit Tränen, als sie jetzt an ihren Kummer erinnert wurde. „Justina,“ wandte sie sich bittend an die Frau, die ihr lächelnd beim Spiel zugesehen hatte und nun aufmerksam zuhörte, „Justina, wir sind gekommen, damit du uns hilfst! Wir wollen weg aus Pitengouua, Afra und ich, wir wollen flüchten, nach Süden, in das schöne, warme Land, aus dem deine Mutter kam! Seit dem Tod von Eticho ist das Leben im Dorf für mich wie die Hölle, sie quälen mich und meine Brüder, wann immer sie können, Liutbirc und Uoda und Wichard, sie verachten unsere Familie und wollen uns los werden, und wir können uns nicht wehren, weil wir Unfreie sind und weder Rechte noch Vermögen besitzen! Du mußt uns helfen, uns sagen, welchen Weg wir nehmen müssen, wie wir es machen sollen! Afra geht mit, sie hat es mir versprochen, wir wollen morgen schon aufbrechen, in aller Frühe, und bis die Anderen merken, daß wir weggelaufen sind und uns suchen, sind wir schon weit weg in den Bergen in Sicherheit!“ Richlint redete so schnell, daß sie kaum Luft holen konnte zwischen den Sätzen, und sie hörte auf mit Weinen und fuhr mit blitzenden Augen voller Wut und Trotz fort. „Denen da oben auf der Burg zeig´ ich es schon noch, allen im Dorf zeig´ ich es! Diese dumme, häßliche, eingebildete Liutbirc, zuerst schmeichelt sie mir mit süßen Worten und ist freundlich und hilfsbereit, und dann schaut sie mich nicht einmal mehr an, außer wenn sie mir und meiner Mutter die Dreckarbeit anschafft, für die sie selber zu fein ist! Wenn wir eines Tages zurückkommen nach Pitengouua, dann werde ich eine reiche Frau sein, mit einem Mann, der Herzog oder mindestens Graf ist, und dann werden sie auf bloßen Knien Abbitte leisten müssen, diese Burgweiber!“
Erschöpft von ihrem Ausbruch hockte sich Richlint auf den Steinboden, den weiten Kittel eng um sich geschlungen, und schaute Justina erwartungsvoll an. „Gut, meine Kleine, es ist ja gut,“ murmelte die dunkle Frau besänftigend, „ich weiß, wie es dir und deinen Leuten in den letzten Wochen in Pitengouua ergangen ist! Ich weiß, wie es ist, arm und unfrei zu sein in der Dorfgemeinschaft, anders von Herkunft und Aussehen als die meisten! Uoda und ihre Tochter sehen mich nicht, auch wenn ich direkt neben ihnen stehe, aber wenn dann jemand krank wird und leidet in der Burg oben, ob Mensch oder Tier, dann bin ich recht und werde zu Hilfe geholt. Aber das mit dem Weglaufen, das bringt dir keinen Vorteil, Richlint, das darfst du mir glauben, davon wird für dich nichts einfacher!“
Justina schaute Richlint eindringlich in die Augen, und dann wanderte ihr Blick zu Afra, die unbeholfen neben ihrer Freundin
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