Mein Name ist Afra (German Edition)
Uoda, und sie stieß ein zischendes Geräusch aus und begann heftig mit Liutbirc zu tuscheln, was ihr einen strengen Blick von Wicpert und einen sehr erstaunten von Itha einbrachte.
Dieser Gerichtsspruch des Welfengrafen verbesserte das Leben von Folchaid und ihren Kindern sehr, denn jetzt hatten sie Stand und Rang und Aussichten auf eine wohlhabende Zukunft. Die Leute aus dem Dorf begegneten ihnen mit Achtung, und keiner konnte ihnen mehr anschaffen oder über sie bestimmen. Freude und Glück herrschten auf einmal in der ärmlichen Hütte meiner Freundin, und als häufiger Gast stimmte ich gerne in das Lachen der beiden Frauen ein oder schaute dem fröhlichen Rasso zu, der auf dem Dorfplatz mit seiner eisernen Waffe, die Wiggo wieder herausgegeben hatte, ausdauernd den Schwertkampf übte. Sein kleiner Bruder Eticho war schon mit dem Grafen nach Altdorf gezogen, und Folchaid wollte mit dem Wickelkind Roudolf im Herbst dorthin folgen. Richlint und Rasso sollten noch für einige Zeit im Dorf bleiben, um zu lernen und eine Art Ausbildung zu erhalten, denn als Unfreie hatten sie bisher nur einfache Arbeiten verrichtet und waren nicht über die Grenzen des Dorfes hinausgekommen. Richlint sollte bei uns im Meierhof leben, wenn ihre Mutter in Altdorf war, und dort von Rautgund und Walburc alles erfahren, was zur Führung eines Gutshofs nötig war, und wir Mädchen freuten uns schon sehr darauf, bald zusammen zu leben. Graf Roudolf hatte dem Vogt Wicpert befohlen, den jungen Rasso auf der Burg aufzunehmen, ihn in allen Kampftechniken zu unterrichten und mit ihm häufig auf die Jagd zu gehen, damit er später als Gefolgsmann des Grafen bestehen konnte und nicht durch mangelnde Erfahrung und Unwissenheit benachteiligt war.
Am 26. Juli wurde in einigen Gegenden Baierns das Fest der heiligen Anna, der Mutter Mariens, begangen, und aus diesem Anlaß wollte Wezilo das Kloster auf der Insel im Staphinse, wo alle Heiligentage sehr festlich abgehalten wurden, mit einer reichlichen Gabe von Wachs und Honig besuchen und auf dem nahegelegenen Markt Salz besorgen und einige Jagdhundwelpen und besonders wertvolle Felle verkaufen. Rasso, Wichard, Liutbirc, Walburc, Richlint und ich sollten den Meier von Pitengouua begleiten, um dort in der schönen, steinernen Kirche zu beten und die heilige Messe zu feiern, und um das Markttreiben und seine Gesetze kennenzulernen. Noch nie waren wir, mit Ausnahme von Wichard und Liutbirc, so weit weg von unserem Dorf gewesen, oder hatten ein Kloster und eine Kirche aus Stein gesehen, oder einen großen See wie den Staphinse, von dem uns schon der alte Haimeran viel erzählt hatte, und in den Tagen vor unserem Aufbruch waren wir sehr aufgeregt und neugierig, was uns wohl alles erwarten würde.
Viele Menschen von überall her sollten dort eintreffen, um das Fest der Heiligen mit den Mönchen des Klosters zu feiern, und Liutbirc und Walburc, dreizehn und elf Jahre alt und bald heiratsfähig, malten sich aus, daß vielleicht der eine oder andere wohlhabende, stattliche junge Mann dort ein Auge auf sie werfen und mit dem Vater eine Heiratsverhandlung beginnen würde. Richlint und mich konnten diese Jungmädchenträume noch nicht begeistern, und zu Liutbirc, die wieder sehr höflich und zuvorkommend zu Richlint war, hielten wir lieber Abstand, denn ihrem freundlichen Wesen war nicht zu trauen. Die Jungen, Wichard und Rasso, redeten nur von edlen Pferden und besonderen Waffen, die sie dort zu sehen hofften, und von dem großen Markt, der in Murnowe an der Römerstraße stattfinden sollte, und auf dem mit Vieh und Rössern, mit Wein und Met, mit Getreide und Salz, mit wertvollen Tuchen und Sklaven aus aller Welt gehandelt wurde.
Den letzten Sonntag vor unserer Abreise verbrachten Richlint und ich bei Justina im Weinland, und meine Freundin redete ununterbrochen begeistert von all den Freuden und Aufregungen, die uns erwarteten, und sie erzählte von den Berichten Haimeran´s über den Staphinse und sein Kloster. Mir fiel auf, daß Justina Richlint gar nicht richtig zuhörte, entgegen ihrer sonstigen Art, und daß sie einen bedrückten, sorgenvollen Eindruck machte, was ich nicht von ihr gewohnt war. Als ich sie nach ihren Gedanken fragte, wollte Justina zuerst nichts sagen und begann, ihre langen, schweren Haare zu flechten und meinem Blick auszuweichen, aber ich ließ nicht aus, bis sie begann, mir von ihrem Kummer zu erzählen. „Schlechte Vorzeichen mehren sich in diesen Tagen, Afra,“ sagte sie leise
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