Mein Name ist Afra (German Edition)
seine Worte aufzuschreiben. Als er weiter sprach, sah er Folchaid an, und sie blickte dem Bruder ihres Mannes direkt in die Augen und senkte nicht ängstlich den Kopf, wie manche es wohl erwartet hätten.
„Diese Frau vor mir, Folchaid mit Namen, ohne Vater oder männlichen Verwandten, die für sie sprechen könnten, sie ist eine Leibeigene von Geburt und Herkunft. Aber Eticho, Graf von Altdorf und dem Schussengau, Graf vom Ambragau und von Pitengouua, der in einem feigen Hinterhalt für sein Land Baiern im Kampf gestorben ist, mein tapferer Bruder Eticho hat diese unfreie Frau für würdig befunden, die Mutter seiner Kinder und seine Gefährtin zu werden. Er wollte sie gegen den Willen der Familie in Altdorf zu seiner rechtmäßigen Ehefrau nehmen und seinen Sohn zum Nachfolger im Grafenamt ernennen. Jetzt ist Eticho bei Gott, und sein irdischer Leib liegt, geschändet von Barbaren, irgendwo im Uferdickicht der Donua. Diese Frau mit Namen Folchaid und ihre Kinder ließ er schutzlos und ohne Aussichten auf ein besseres Leben zurück, was niemals seine Absicht war. Von gleichem Blut sind wir, Eticho und ich, und deshalb werde ich als sein Bruder und Nachfolger seinen Willen erfüllen und für Folchaid und ihre vier Kinder Sorge tragen und mich um sie kümmern, als wenn sie rechtlich zu meiner Sippe gehörten.“
Roudolf atmete tief durch und fuhr dann laut und deutlich fort. „Folchaid, Friedelfrau von Eticho, Ratbod, Richlint, Eticho und Roudolf, Kinder von Eticho, die ihr alle unfrei geboren seid und als Leibeigene in Pitengouua lebt, mit dem heutigen Tage gebe ich euch die Freiheit! Freie Baiern sollt ihr sein, mit allen Rechten und Pflichten dieses Standes, frei bis an das Ende eures Lebens, und auch eure Kinder und Kindeskinder und alle, die danach folgen. Schreib´s auf, Priester Hucpert, und zupf´ die Zeugen tüchtig an den Ohren, damit alles seine Ordnung hat!“
Mir wurde ganz heiß, als ich die Rede des Grafen vernahm, und im ersten Moment konnte ich noch gar nicht begreifen, was diese Worte bedeuteten. Doch all die erstaunten Gesichter um mich herum, Richlints glückstrahlende Augen, die mich und Justina suchten, und vor allem Rasso, der ohne seine sonst übliche Zurückhaltung einen Freudensprung machte und laut jauchzte, das alles brachte mir zum Bewußtsein, daß meine Freundin und ihr Bruder nun frei waren, frei von jeglicher Verpflichtung einem Herrn gegenüber außer dem Grafen und dem Herzog, und daß sie selbst bestimmen durften, was mit ihnen in Zukunft geschah. Wir hatten solche Angst gehabt vor der Entscheidung des Grafen, daß wir immer nur die schlimmsten und traurigsten Möglichkeiten in Betracht gezogen hatten, und niemals hatten wir auch nur im schönsten Traum an eine so glückliche Wendung gedacht. Am liebsten wäre ich jetzt sofort zu Richlint hingelaufen und hätte sie in den Arm genommen, aber der Graf forderte mit strenger Stimme Ruhe und hieß die zwei Zeugen, meinen Vater Wezilo und den Burgvogt Wicpert, vorzutreten und ihr Zeichen unter das Dokument des Mönchs zu setzen. Danach packte Hucpert die beiden Männer an den Ohren und zog kräftig daran, damit sie sich durch diesen Schmerz ihr Leben lang an ihr Zeugenamt erinnerten.
Gespannt verfolgte das ganze Dorf die Vorgänge, viele neugierige Augen schauten auf Folchaid und die Wirkung der Grafenworte und auf Frau Itha, die während der Rede ihres Gatten still auf dem schönen Pferd gesessen und nur Folchaid und ihren eigenen Mann angeschaut hatte, denn die einfachen Bauersleute waren für so eine hochgestellte Frau nicht von Bedeutung. Liutbirc stand ganz in meiner Nähe, und ich sah, daß sie wohl ungläubig über die Ereignisse ein gezwungenes Lächeln aufgesetzt hatte, während ihre Mutter Uoda die Hände verkrampft hielt und andauernd versuchte, die Augen ihres Mannes Wicpert auf sich zu ziehen. Die Entscheidung des Grafen war sicher nicht im Sinn der beiden Burgfrauen ausgefallen, und als Roudolf wieder das Wort ergriff und davon sprach, für Rasso und Richlint standesgemäße und wohlhabende Ehegatten zu suchen, lag pures Entsetzen auf Uoda´s Gesicht. Der kluge Graf bemerkte sicherlich, daß seine Entscheidungen nicht bei allen Leuten aus dem Gau Wohlwollen hervorriefen, aber er ließ sich davon nicht beirren und verkündete, daß der kleine Eticho bei ihm und seiner Frau auf der Burg in Altdorf aufwachsen und auch Folchaid mit dem Säugling Roudolf übers Jahr dorthin umziehen sollte. Das war dann doch zuviel für
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