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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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führten, überfielen sie auf der Suche nach Nahrung die kleinen Dörfer und Höfe auf ihrem Weg und nahmen sich, was sie brauchten. Im ersten Winter, nachdem sie uns ausgeplündert und die Frauen ermordet hatten, litten wir alle Hunger im Dorf, denn die Barbaren hatten als Versorgung für ihr Heer einen Großteil unserer Vorräte weggeschleppt und alles angezündet, was sie nicht auf ihren kleinen Pferden mitnehmen konnten, die Grubenhäuser und Vorratsschuppen waren zerstört und mit ihnen unser Rückhalt für einen langen, kalten Winter. Nachdem wir unsere Toten würdevoll bestattet hatten und die erste laute Verzweiflung einer dumpfen Niedergeschlagenheit wich, erkannten wir erst wirklich, was diese Heimsuchung für uns Überlebende bedeutete. Als wir begannen, die verbrannten Gebäude aufzuräumen und wiederherzustellen, lag die ganze Verwüstung offen vor unseren ungläubigen Augen. Da war kein Körnchen Getreide mehr für Brei oder Brot; Äpfel und Birnen, Kohl und Rüben, Käselaibe und Geräuchertes waren fort oder lagen als verkohlte, schwarze Haufen ungenießbar unter den eingestürzten Balken der Vorratshäuser. Das Schlimmste aber war, daß auch unser Saatgut für die Felder des nächsten Frühjahrs zerstört war, und womit wir das Vieh, das oben auf der Burgwiese überlebt hatte, durch den Winter füttern sollten, das wußten wir nicht, denn Heu und Stroh waren verbrannt.
    Die Menschen von Kembeduno hatten Glück, denn Bischof Udalrich von Augusburc, der auch der Abt des Klosters von Kembeduno war, fing schon im Jahr darauf damit an, den Ort und das Kloster schöner und größer als je zuvor wieder aufzubauen. König Otto hatte ihm die Mittel dafür geschenkt, reines Gold und unfreie Männer für die schwere Arbeit, und damit fiel es dem Bischof leicht, die Häuser wieder zu errichten. Wir aber waren nur ein kleines, unbedeutendes Dorf, ein Nichts in den Augen des Königs, und wir hatten weder von ihm noch vom Bischof etwas zu erwarten. Die Leute von Pitengouua erhofften alle Hilfe und Rat von meinem Vater, der doch ihr Meier war und sie immer richtig geführt und für sie gesorgt hatte, aber Wezilo war in seiner abgrundtiefen Trauer um Rautgund so versunken, daß er nicht fähig war, einen Ausweg zu suchen oder in irgendeiner Form zu handeln, ja er bemerkte nicht einmal, wie schlimm es um die Menschen in seinem Dorf stand. Es war der alte Sigiboto, der schließlich alles in die Hand nahm und dem wir eigentlich unser Überleben verdanken, der strenge, stolze Haslachbauer zeigte mehr Herz und Mitgefühl, als ich es von ihm angenommen hätte. Zuerst schickte er seine drei Söhne mit Ochsenkarren nach Pitengouua, schwer beladen mit ungefähr einem Drittel der Ernte und der Vorräte des Haslachhofes, und sie schenkten alles den Menschen im Dorf, ohne irgendeine Gegengabe zu fordern. Dann drängte er Wicpert von der Burg, seinen Sohn nach Altdorf zum Welfengraf zu schicken, um von unserem Schicksal zu berichten und um Hilfe zu bitten, und nach einiger Zeit kamen von dort zwei Karren, hoch beladen mit Pökelfleisch und Käse, mit Getreide und Gemüse, mit Äpfeln und Honig. Das Schönste aber war ein Säckchen mit Goldstücken, das Graf Roudolf dem Vogtsohn Wichard mitgegeben hatte, damit konnten wir im Frühjahr auf den Märkten in Murnowe und Ephach Saatgut einkaufen und unsere Felder wieder bestellen.
    Doch trotz der vielen Hilfe, die wir von den Haslachern und den Welfen erfahren hatten, war das Essen in diesem bedrückenden Winter für uns alle sehr knapp, und es wurde genau eingeteilt, wieviel jede Familie in der Woche bekam, und damit mußten die Leute auskommen. Nun konnten wir Kinder uns nicht wie früher aus den Grubenhäusern so viele rote und gelbe Äpfel holen, wie wir Lust dazu hatten, sondern ein einziger Apfel mußte für zwei Wochen reichen, und eine jede von uns ging mit dem ihr Zugeteilten anders um. Die ungeduldige Richlint aß ihren Apfel auf der Stelle auf, wenn sie ihn bekam, und dann sehnte sie sich vierzehn Tage lang nach einem Neuen. Walburc, sparsam und vorausdenkend, schnitt ihre Frucht sorgfältig in schmale Scheiben zum Trocknen und versteckte diese vor uns, und sie hatte so alle drei Tage einen saftigen Apfelring zum Essen dazu. Ich selber hob meinen Apfel ungefähr eine Woche auf, holte ihn immer wieder hervor und roch genüßlich daran, und dann verspeiste ich ihn kurz entschlossen mit Butz und Stiel.
    Aber wir alle wurden mager und knochig in diesem harten, ersten Winter nach

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