Mein Name ist Afra (German Edition)
tüchtige Mädchen aber in der Stube des Dornauer Hofes ihrem zukünftigen Mann gegenüberstand, war von ihrem Selbstbewußtsein und ihrer Kraft nicht viel zu merken, denn sie hatte verlegen die Lider gesenkt und stand unbeholfen und linkisch herum, ohne ein Wort zu sprechen. Meine Schwester war sich der vielen neugierigen Augenpaare sehr bewußt, die jede Regung von ihr beobachteten, und deshalb traute sie sich kaum, einen genaueren Blick auf den jungen, untersetzten Mann zu werfen, mit dem sie schon sehr bald das Lager teilen sollte. Der junge Bruno jedoch hielt sich nicht im mindesten zurück, sondern starrte seine schüchterne Braut unverhohlen und aufdringlich von Kopf bis Fuß an, ließ seinen musternden Blick lange auf ihren vollen, runden Brüsten ruhen und machte dann gegenüber den anderen Männern ein paar derbe Anspielungen, die erkennen ließen, daß er mit dem Heiratsbeschluß seiner Eltern sehr zufrieden war. An seine zukünftige Frau aber richtete er kein einziges Wort, und dieses grobe Verhalten verletzte Walburc sichtlich, auf ihren Wangen brannten zwei kreisrunde, rote Flecken, und die zitternden Hände versuchte sie unter ihrem Umhang zu verstecken.
Richlint und ich waren bei diesem ersten Treffen der Brautleute in der Dornau dabei, brav und gesittet saßen wir in der Stube neben meinem Vater Wezilo auf der Ofenbank, ließen die Alten reden und sagten selber nichts, wie es sich für junge Mädchen geziemt. Aber sobald die ganze Gesellschaft aufstand, um sich die Ställe und die Pferde anzuschauen und ein wenig plaudernd auf dem Hof herumzugehen, flüchteten wir zusammen in den weitläufig angelegten Obstgarten hinter den Gebäuden, setzten uns auf eine verborgen gelegene Holzbeuge und redeten über Bruno und Walburc.
„Wie eine Kuh! Er hat sie gemustert wie ein Bauer die Rindviecher auf dem Markt! Es fehlte nur noch, daß er ihre nackten Flanken abgegriffen hat und ihr Euter sehen wollte! Wenn sie nicht zur rechten Zeit kalbt, wird er sein bißchen Gold zurückfordern!“ Richlint war außer sich über Walburc´s Bräutigam und seine abschätzenden Blicke. Ich dachte insgeheim genauso über das erste Treffen mit Bruno und war gar nicht begeistert davon, den groben Kerl in unsere Familie aufzunehmen, aber das wollte ich meiner Freundin nicht eingestehen. Richlint war in ihrem Urteil immer so endgültig und entschieden, sah nur Hell oder Dunkel und keine Zwischentöne, und machte sich mit ihrer schroffen, ehrlichen Art anderen Leuten gegenüber oft das Leben schwer. Mit Bruno würden auch wir beide leben müssen, nicht nur Walburc, und daher wäre es besser, ein paar gute Seiten an ihm zu finden und nicht von vornherein alles zu verderben. Also versuchte ich, Richlint zu besänftigen, und ich zählte alles auf, was für diese Ehe sprach. „Er ist halt neugierig auf seine zukünftige Frau, wer wollte ihm das verübeln! Aber er ist jung und gesund, und so schlecht sieht er gar nicht aus, vielleicht ein bißchen plump und gedrungen, aber das ist ja gar nicht so wichtig! Wichtig ist, daß er ein Meiersohn ist, wenn auch nur ein Zweitgeborener, du weißt, daß das Herz unserer Walburc am Hof hängt und daß sie wie meine Mutter werden will, eine rechtschaffene, tüchtige Meiersfrau. Und nachdem Bruno bei sich daheim keinen Hof bekommt, weil er einen älteren Bruder hat, passen doch in Pitengouua alle Dinge genau zusammen! Sie will einen Mann, der den Hof führt, und möglichst viele Kinder, und das will er auch! Und das Gold, das er als Brautgabe mitbringt, das können wir hier gut gebrauchen, du weißt, daß unser Wohlstand heute noch nicht wieder der Gleiche ist wie vor dem schrecklichen Tag.“
Wir saßen ganz dicht nebeneinander auf dem Holzstoß und faßten uns unwillkürlich fest bei den Händen, als ich den Überfall der Ungarn erwähnte, so wie wir uns in den vergangenen vier Jahren immer wieder aneinander festgehalten hatten, wenn unsere Verzweiflung und unsere Trauer zu groß war, um sie allein durchzustehen. Wir hatten beide unsere Mütter verloren, durch einen gewaltsamen, grausamen Tod, und es waren seitdem schwere und traurige Jahre für Walburc, Richlint und mich und alle Bewohner von Pitengouua gekommen.
Die wilden Reiterhorden waren auf dem Weg nach Kembeduno, Uoda´s Heimatstadt, gewesen und hatten den Ort mit seinem Kloster zum drittenmal in den letzten 30 Jahren vollständig zerstört, wie wir später erfahren mußten. Da die Ungarn als Reiterkrieger keine Vorräte mit sich
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