Mein Name ist Afra (German Edition)
entscheiden, weil ihre männlichen Verwandten über sie zu befinden haben. Damit mußt du dich endlich abfinden, wir sind nun einmal Frauen!“ In scharfem Ton sagte ich ihr diese Worte, obwohl sie mir leid tat und ich in meinem Inneren nicht anders empfand als sie. Der plumpe, zudringliche Bruno widerte mich an, und die Vorstellung, daß er mit meiner Walburc das Bett teilen und in unsere Familie aufgenommen werden sollte, machte mir Angst. Aber es war nicht zu ändern, und ich selber fürchtete mich auch davor, bald verheiratet zu werden und Pitengouua vielleicht für immer verlassen zu müssen. Rasso, den ich schon seit meiner Kinderzeit liebte, war bereits mit einer Anderen versprochen worden, was ihn anscheinend gleichgültig ließ, und außer mir hatte nie jemand an eine Verbindung von uns beiden gedacht. Er hatte in mir immer nur die Freundin seiner kleinen Schwester gesehen, und im Gegensatz zu den anderen Jungen in seinem Alter hatte er Mädchen noch nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Er ritt und jagte leidenschaftlich gern, hörte am liebsten den Geschichten der erwachsenen Männer über Kampf und Gefahren zu, und außer um seine Schwester Richlint kümmerte er sich um kein Mädchen, wenn sie ihm auch noch so schöne Augen machte. Nur seine schöne Mutter Folchaid hatte er sehr geliebt, und nach ihrem Tod sprach er von ihr wie von einer Heiligen, die niemals gefehlt hatte.
Rasso würde nie mein Ehemann werden, damit hatte ich mich abgefunden, er würde in ein paar Wochen an den Amberse ziehen und die vermögende Kunissa heiraten. Welche Männer für Richlint und mich bestimmt waren, das wußten wir damals auf der Obstwiese nicht, aber ich wollte Richlint, die sich nach meinen barschen Worten weggedreht hatte und mich nicht anschaute, wieder zuversichtlicher stimmen.
„Komm, Richlint, so schlecht wird es nicht werden! Dein Oheim Roudolf wird keinen unwürdigen Ehemann für dich aussuchen, es wird ein freier, gesunder Mann mit Besitz sein, und du wirst die Herrin auf dem Hof werden! Schau´ dir an, was meine Eltern für eine glückliche Ehe geführt haben! Wie zufrieden waren sie miteinander, und sie haben sich doch vor der Ehe kaum gekannt. Und Wichard mit Eilika! Die Heirat wurde von den Eltern beschlossen, und in meinem ganzen Leben habe ich Wichard nicht so ausgeglichen und glücklich gesehen wie im letzten Jahr, seit er mit Eilika zusammen ist. Und jetzt ist sie auch noch guter Hoffnung, und er lächelt und ist freundlich und hat für jeden ein gutes Wort, so haben wir ihn doch vorher gar nicht gekannt!“
Richlint setzte sich auf der Holzbeuge zurecht und ließ ihre dünnen Beine heftig hin und her schwingen. Ihr blasses Gesicht war noch immer verschlossen, die roten Lippen eine schmale Linie voller Unmut. „Du nimmst einfach alles hin, Afra, fragst nicht nach und läßt über dich bestimmen! Wer sagt dir, daß du mit deinem Ehemann soviel Glück haben wirst wie Wichard und Eilika miteinander? Eilika ist eine liebe, fröhliche Frau, das Schicksal hat es mit Wichard gut gemeint, aber wenn du einen Mann wie Bruno bekommst, wird dir die Freude rasch vergehen! Und ich werde einen solchen groben Kerl schon gar nicht nehmen, geschweige denn ihm ein Kind gebären, davor soll mich Justina´s Göttin behüten!“ Die Worte von Richlint klangen endgültig. Sie würde sich wehren, wenn ihr Unrecht geschah, das wußte ich, und es würde nicht leicht werden für sie.
An unser Gespräch auf der Obstwiese in der Dornau dachte ich noch öfter, als sich das tägliche Leben mit Bruno auf dem Meierhof als weit unangenehmer herausstellte, als ich befürchtet hatte. Auf der Hochzeit war er leutselig und lustig gewesen, hatte zuviel Wein und Met getrunken und mehrmals erbrochen, und am Ende mußte er von den Knechten zu Bett gebracht werden, weil er aus eigener Kraft nicht mehr stehen konnte. Aber schon am nächsten Morgen schallte seine übellaunige Stimme laut über den Hof, als er nach seinem Weib rief, das ihm Essen und frische Kleider bringen sollte. Und in den folgenden Wochen und Monaten wurde es nicht besser, sondern eher schlimmer mit ihm. Er ließ sich von Walburc den ganzen Tag lang bedienen, so daß sie kaum noch mit ihrer Arbeit nachkam, er ging nicht mit auf die Felder zum Arbeiten, wie es die Leute bisher von ihrem Meier gewöhnt waren, sondern spielte den großen Herrn, hockte untätig auf dem Hofplatz herum und schaffte allen nur an. Die Pitengouuer mochten ihn nicht, das war bald zu spüren, und schon
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