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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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eigenes Leben und das ihres ungeborenen Kindes dauerte mehrere Tage, und am Ende hatten sie ihn beide verloren.
    Dichter Nebel liegt über meiner Erinnerung an diese Stunden, und auch damals hatte ich das Gefühl, einen undurchsichtigen, bösen Traum zu erleben und einfach nicht daraus zu erwachen, sosehr ich mich auch anstrengte. Meine Angst war so groß wie der Aurberg und ich schrie innerlich laut vor Verzweiflung, aber die Zunge in meinem Mund sprach ruhige und gelassene Worte, gab die nötigen Anweisungen und beruhigte und tröstete, wo sie nur konnte. Meine Glieder waren wie mit Ketten gefesselt, aber Arme und Beine bewegten sich von selbst, ohne mein Zutun, und ich brühte Kräutersud und holte frisches Wasser und wusch meiner Schwester den Schweiß von ihrem gepeinigten Körper. Nur in wenigen Augenblicken vermochte ich klar und bewußt durch die dichten, nebligen Schwaden zu blicken, und diese Eindrücke sind für alle Zeiten wie mit einem scharfen Messer in meiner Erinnerung eingeritzt.
    Am ersten Tag kamen die Frauen aus Pitengouua, saßen in der Stube neben Walburcs Lager und beteten um eine leichte Geburt für sie. Am zweiten Tag kam auch Uoda von der Burg und Liutbirc aus Dornau, und sogar die gebrechliche Hedwig, Sigibotos Frau, wollte Walburc beistehen und war zu Fuß mit einer Magd vom Haslachhof gekommen. All diese Frauen saßen und standen bei uns in der heißen, stickigen Stube, und doch wußte keine von ihnen so recht, was zu tun war, als die Wehen von Walburc immer stärker und schmerzhafter wurden und dicht aufeinander folgten, das ungeborene Kind sich aber im Bauch seiner Mutter nicht rührte. Wir beteten ohne Unterlaß und massierten meine Schwester, wir flößten ihr Kräutersäfte ein und verbrannten allerlei geweihtes Räucherwerk, bis kaum mehr genügend frische Luft zum Atmen in der engen Stube war. Schließlich verlangte die alte Hedwig, daß wir Walburc auf die Füße stellten und mit vereinten Kräften heftig schüttelten, damit das Kind sich löste und nach unten rutschte, aber meine Schwester schrie dabei so schrecklich und so laut, daß ich die Frauen drängte, damit aufzuhören und die völlig geschwächte Walburc wieder auf die Bettstatt zu legen. Diese grauenvollen Schreie tönen noch heute in meinen Ohren, und ich sehe die blonde Liutbirc in ihren roten, kostbaren Gewändern in einer Ecke stehen und mit Entsetzen im Gesicht fassungslos und ohnmächtig die Hände ringen.
    Schon am frühen Morgen des ersten Tages hatte ich den Knecht Lutold ins Weinland geschickt, um Justina zu holen, aber er kam unverrichteter Dinge zurück und berichtete, daß der alte Gutshof verlassen war und dort nur die Ziegenherde herumsprang. Wie wir später von ihr erfuhren, war Justina dringend nach Bobinga gerufen worden, denn der Schmied des Dorfes war beim Beschlagen eines wilden Rosses schwer verletzt worden und brauchte ihre Hilfe. Mit Walburc´s Kind hatte Justina erst in zwei Wochen gerechnet, und so machte sie sich unbesorgt mit dem kleinen Riwin und dem Hund Cimbro auf den langen und beschwerlichen Weg durch die düstere Ambraschlucht. Erst am dritten Tag des Leidens meiner Schwester traf einer der Reiter, die ich überall im Gau auf die Suche geschickt hatte, Justina auf dem Rückweg ins Weinland und brachte sie sofort nach Pitengouua. Ich war so froh, als die Freundin uns liebevoll und ruhig wie immer begrüßte, Richlint ihren Säugling in den Arm legte und in die Stube zu Walburc lief, daß ich für einen Moment fest daran glaubte, daß nun alles gut werden und meine Schwester ein gesundes Kind gebären und leben würde. Aber im Halbdunkel der unerträglich heißen Stube wurde Justina´s Miene sehr ernst, als sie Walburc fast leblos liegen sah und von den Frauen hörte, wie lange sie schon in den Wehen lag, und sie begann auf der Stelle zu handeln.
    Als erstes schickte sie alle Frauen hinaus bis auf Hedwig, Uoda und Liutbirc, denen sie als Unfreie nichts zu befehlen hatte, und dann öffnete sie die Tür und löschte alle Feuer und Kienspäne und Räucherwerke, damit es kühler wurde und Luft in die Stube kam. Mir befahl sie, frisches, kaltes Wasser vom Brunnen zu holen, und damit wusch sie meiner Schwester den heißen, klebrigen Schweiß vom Körper, und Walburc regte sich wieder und jammerte leise vor sich hin. Justina untersuchte meine Schwester sehr sorgfältig, und mit ihren Fingern und einer Salbe versuchte sie, den Geburtsweg zu erweitern und weich zu machen. Dabei sprach sie

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