Mein Name ist Afra (German Edition)
kein Wort.
„Und die Tage, an denen dein Blut fließt, Richlint, und an denen du dich von deinem Ehemann fernhalten mußt, diese Tage dauern bei dir fast doppelt so lange wie bei den anderen Frauen oder bei mir in meiner Jugend! Ich will nicht hoffen, daß dies eine Krankheit ist oder den Grund dafür darstellt, daß du kein Kind in deinem Leib trägst, aber du solltest dir bei Justina einen Rat holen, du bist doch viel mit ihr beieinander und sie kennt sich mit heilenden Mitteln für die Leiden von Frauen besonders gut aus. Chuonrad ist ein sehr ungeduldiger Mann, er wird nicht mehr lange hinwarten, sondern eine andere Frau nehmen, wenn du ihm keinen Sohn schenkst, und ich selber möchte noch den ersten Schrei meines Enkels hören, bevor ich sterbe!“
Hedwig warf die Wolldecke von ihren Schultern und faßte nach dem Kinn von Richlint, die sich wieder auf die Stufen gesetzt hatte, und sie drehte den Kopf ihrer Sohnesfrau so fest und bestimmt zu sich, daß die Junge ihr in die hellen, wachsamen Augen schauen mußte und nicht mehr ausweichen konnte. „Du willst meinem Sohn doch Kinder gebären, Richlint, nicht wahr, du willst doch die Mutter der Haslacherben werden?“
Unergründlich war der Blick aus den braunen, im trüben Winterlicht fast schwarz wirkenden Augen von Richlint, und die alte Frau fand darin nicht die Antwort, nach der sie suchte. „Welche Frau würde sich das nicht wünschen, Hedwig,“ gab Richlint leise zur Antwort, „ich werde bald mit Justina reden und ihre Heilmittel einnehmen! Laß´ uns jetzt über das Färben reden, du weißt doch, daß ich morgen eine neue Mischung aus Walnußwurzeln und gekochten Wacholderbeeren versuchen möchte, um bei der Schafwolle endlich ein tiefes, warmes Braun zu erreichen. Dieser Umhang von mir, den ich mit Krapp so leuchtend rot gefärbt habe, ist wirklich sehr schön gelungen, und mit den Stauden des Waid, die ich neulich vom Händler Hildeger erstanden habe, will ich ein feines, leinenes Gewebe blau einfärben, ein neuer Sommerkittel für dich und ein Hemd für Utz soll es werden, zu euren Augen wird es sicher gut stehen, denn sie haben die gleiche Farbe! Du wolltest mir auch noch sagen, wie ich die Rinde und die Blätter des Eichenbaums behandeln muß, damit die Wolle in ihrem Sud wirklich schwarz wird, und du weißt, daß ich sehr froh darüber bin, von dir soviel über das Färben zu lernen!“
Hedwig zog fröstelnd die Decke wieder über ihre Schultern und steckte die Arme darunter, um sich zu wärmen. Es war sinnlos, mit Richlint über die erhoffte Schwangerschaft zu reden, sie hatte es schon so oft vergeblich versucht. Immer wieder wich die junge Frau ihren Ratschlägen und Vorhaltungen aus und lenkte freundlich, aber unnachgiebig von diesem Thema ab. Die Alte seufzte schwer, denn sie konnte Richlint gut leiden und wünschte ihr nichts Böses, aber sie kannte ihren harten und ehrgeizigen Sohn, Chuonrad würde seine Frau verstoßen, wenn sie ihm keine Kinder gebar, und Richlint wäre alleine, denn wer wollte schon ein unfruchtbares Weib auf seinem Hof!
„Rufe jetzt nach Trudhild, ich möchte auf meine Bettstatt zurück, es ist zu kalt hier draußen für eine kranke und alte Frau wie mich, ich bin müde und erschöpft!“ Undeutlich und leise kamen die Worte aus dem zahnlosen Mund der alten Frau, aber Richlint spürte doch den Vorwurf. Sie stand sofort auf, um nach der Magd zu sehen, doch im selben Augenblick kam Trudhild atemlos über den Hofplatz gerannt, mit wehenden Zöpfen und roten Backen vor lauter Aufregung. „Ein Mann, Herrin, ein riesiger, fremder Mann auf einem pechschwarzen Pferd reitet direkt auf unseren Hof zu! Was sollen wir bloß tun, wo doch alle Männer auf der Jagd und wir Frauen alleine und ohne Schutz sind?“ Die Viehmägde drängten sich neugierig hinter den Stalltüren, und die übrigen Frauen stiegen vom Grubenkeller und ihren Webstühlen herauf, durch das laute Geschrei von Trudhild aufgeschreckt und beunruhigt.
Voller Hohn über diesen Tumult verzog Richlint die Lippen. „So macht doch das Tor auf und heißt ihn willkommen, ein einzelner Mann am hellichten Tag wird uns schon nicht gefährlich werden! Es kann nur ein Händler oder ein Pilgerfreund von Utz sein, wer sollte denn sonst im Haslach vorbei kommen!“
Ein sehr großer, dunkel gekleideter Mann führte einen heftig schnaubenden, schwarzen Hengst unter gutem Zureden vorsichtig über die flache Brücke und dann auf das Langhaus der herrschaftlichen Familie zu,
Weitere Kostenlose Bücher