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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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nachdem die Mägde auf den Befehl der Herrin das mächtige Holztor geöffnet hatten, und das Erstaunen von Richlint war groß, als sie in dem fremden Reiter ihren Bruder Rasso erkannte. Die Geschwister begrüßten sich herzlich und voller Freude über das Wiedersehen, und nachdem der höfliche, junge Mann auch der alten Hedwig seine Aufwartung gemacht hatte, stellten sie das unruhige Pferd in den Stall zu den Ochsen, gaben ihm Heu und Wasser und schlenderten dann zum Kräutergarten mit seinen steinernen Mauern, um in Ruhe miteinander zu reden. Im Haus oder auf dem Hof war das nicht möglich, denn die Frauen und Mädchen konnten ihre Augen nicht von dem gutaussehenden und hochgewachsenen Mann aus Andehsa lassen, von dem sie schon so viel Erstaunliches gehört hatten, und sie drängelten sich neugierig um Richlint und Rasso, um etwas über den Grund seines Kommens zu erfahren. 
    Im Garten aber schloß Richlint die Tür, und Bruder und Schwester waren allein. „Du mußt die Aufdringlichkeit der Mägde verstehen und darfst ihnen nicht böse sein, Rasso, du bist ein berühmter Mann geworden in den letzten Jahren! Überall in den Dörfern erzählt man sich von deinen tapferen Kämpfen gegen die Feinde der Baiern und von deinen Erfolgen auf den Turnieren des Königs, und seit du von der zweiten Pilgerreise nach Rom und ins Heilige Land so kostbare Reliquien mitgebracht hast, wirst du von den einfachen Leuten richtiggehend verehrt!“ Richlint lachte fröhlich und stieß ihren Bruder in die Seite. „Du sollst sogar in Konstantinopel das Schweißtuch unseres Herrn Jesu erhalten haben, was ich nicht wirklich glauben kann, denn wie der schlaue Händler Hildeger habe auch ich meine Zweifel an der Echtheit der vielen Heiltümer landauf und landab!“
    Rasso stimmte nicht in das Lachen seiner Schwester ein, sondern runzelte die hohe Stirn unter den dunklen Locken, und sein schönes Gesicht blieb ernst. „Spotte nicht über meinen Glauben, Schwester, denn in ihm habe ich endlich den Sinn meines Lebens gefunden! Wie ich sehe, hast du dich nicht verändert in den letzten Jahren, in denen wir uns so selten getroffen haben, und du bist immer noch voller Argwohn gegenüber der Lehre unserer heiligen Kirche und den Menschen, die an sie glauben. Unsere selige Mutter hätte dir nicht soviel Freiheiten lassen, sondern dich besser in der Liebe zu Jesus unterweisen sollen, und deine Freundschaft mit der heidnischen Sklavin Justina vom alten Gutshof hat deiner Seele wohl mehr geschadet, als dir bewußt ist!“
    Voller Verwunderung schaute Richlint ihren Bruder an. „Du aber hast dich sehr verändert, Rasso! An deinen Gedanken und Sehnsüchten hast du mich zwar nie teilhaben lassen, du warst immer schon lieber für dich allein, aber daß du so ernst und gläubig geworden bist, habe ich nicht gewußt. Ruhm und Ehre auf dem Schlachtfeld, ein tapferer Held des Herzogs und des Königs, das waren doch deine Ziele während unserer Kindheit und Jugend in Pitengouua, dafür hast du doch die letzten Jahre gekämpft!“
    Rasso nahm die Hand seiner Schwester und schaute ihr tief in die goldbraunen Augen. „Deshalb bin ich heute zu dir ins Haslach geritten, Richlint, denn du bist meine Schwester, vom gleichen Fleisch und vom gleichen Blut, und du sollst als erste von meiner Entscheidung erfahren. Unser kleiner Bruder Eticho lebt in Altdorf und hat seine Geschwister und seine Heimat und Herkunft wohl schon vergessen, und deshalb bist du die Familie, die mir noch geblieben ist, und du sollst meinen Weg verstehen und gutheißen. Wenn ich auch erst zweiundzwanzig Jahre zähle, so habe ich doch schon vieles erlebt und erfahren in diesem Leben. Unfrei bin ich geboren worden, als unterdrückter Knecht habe ich mit unserer schönen, unschuldigen Mutter Folchaid und mit dir, Eticho und Roudolf zusammengelebt, und kaum habe ich meinen Vater erkannt, wurde er mir wieder genommen. Nach irdischem Reichtum und Heldenhaftigkeit habe ich gestrebt, als ich endlich ein freier Mann war, und nichts schien mir verlockender, als mit dem Herzog in wilde Schlachten und mit dem König in ferne Länder zu ziehen. Paläste und Burgen von unglaublicher Pracht und großem Reichtum habe ich gesehen, wohlhabende Menschen in seidener Kleidung mit goldenem Schmuck und Zierat um den Hals, und es war das Ziel meiner Träume, genauso reich zu werden wie sie. Kämpfen wollte ich wie kaum ein anderer Held vor mir, so daß mein Name für immer durch die Lieder der herumziehenden

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