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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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Musikanten im Gedächtnis der Menschen bestehen bliebe, und mein Andenken und das meiner Familie hochverehrt würden. Doch eines Tages habe ich plötzlich die Toten auf dem Schlachtfeld mit anderen Augen gesehen, wie sie da lagen, verstümmelt in ihrem Blut, hingemetzelt von meiner eigenen Hand, und die Schreie der gefangenen Frauen und Kinder tönten in schlaflosen Nächten grauenvoll in meinen Ohren. Ich sah, wie hart die Bauern schufteten für ein kleines Stück Brot, um ihre Kinder zu nähren, ich sah die Armen und Aussätzigen, wie sie an den Wegrändern und auf den Märkten bettelten, mit zerlumpter Kleidung und ohne Obdach für die Nacht, und ich wußte nicht mehr, was gut und was böse ist, und ich verzweifelte schier an meinem Leben. Da erschien mir im Traum eine Engelsgestalt, hell und klar wie der Mond, und sie wies mir das Paradies, so wie Jesus es uns nach dem Tode verheißen hat, ein Leben ohne Arm und Reich, ohne Tod und Hunger, ohne Krankheit und Einsamkeit, ein Leben voller Freude und Glück für alle Menschen! Und wie wenn ein strahlender Blitz mich getroffen hätte, erkannte ich auf einmal, daß es falsch ist, zu töten, falsch, nach Reichtum und Ruhm zu streben, falsch, nur nach dem eigenen Nutzen zu handeln und Andere zu vergessen. Glaube mir, Richlint, dieses Leben hier auf Erden hat nur dann einen Sinn, wenn wir in Demut Jesus Christus folgen und nach seinen Worten leben und handeln!“
    Rasso atmete tief ein. „Ich werde mit meinem Vermögen ein Kloster gründen, auf der kleinen Insel Werth im Fluß Ampra habe ich den richtigen Ort dafür gefunden, und dort werden die Heiltümer, die ich von meinen Pilgerfahrten mit nach Baiern gebracht habe, aufbewahrt und angebetet werden, und sie sollen unserem ganzen Volk, vor allem den armen und abhängigen Leuten, Hilfe und Erleuchtung bringen.“
    Der junge Mann senkte den Kopf und schwieg für einen Augenblick. Dann hob er das Gesicht und schaute mit so innigem Ausdruck in den grauen Novemberhimmel, als ob es in der Ferne etwas Schönes und Wunderbares zu sehen gäbe, und mit ergriffener Stimme fuhr er fort. „Dort in diesem Kloster werde ich selbst leben, als einfacher Mönch, in Armut und in Liebe zu meinen Nächsten, nur zum Lobe des einzigen und wahren Gottes, und ich bin sicher, daß ich dann den inneren Frieden erreiche, den ich schon mein ganzes Leben lang so sehr suche und bis jetzt nirgends in der Welt gefunden habe.“
    Richlint starrte ihren Bruder fassungslos an und fand keine Worte. Rasso lächelte und legte den Arm um die Schultern seiner Schwester. „So wie du, meine Richlint, so werden wohl die meisten Menschen erstaunt sein, wenn sie von meinem Entschluß erfahren! Aber glaube und vertraue mir, diese meine Entscheidung ist keine leichtfertige oder unüberlegte Angelegenheit, sondern das Ergebnis von jahrelangem Nachdenken und Beten, und gemeinsam mit meiner Frau Kunissa habe ich alles sehr gründlich durchdacht, auf daß weder Mensch noch Gut durch mein Weggehen Schaden entstehe. Den Hof am Amberse wird Kunissa´s Bruder verwalten, Arnold und seine Frau sind brave und ehrsame Christen, und sie werden die Erziehung unserer beiden Kinder in meinem Sinne fortführen. Denn auch Kunissa fühlt sich immer mehr zu Gott hingezogen, nachdem sie viele, lange Gespräche mit meinem Freund und Vertrauten Bischof Udalrich geführt hat, und sie wird in Keuschheit und Armut die Grabstätte und die Kirche der heiligen Afra vor den Toren von Augusburc betreuen und den vielen Wallfahrern ein leuchtendes Vorbild sein.“
    Richlint konnte sich nicht daran erinnern, daß ihr Bruder jemals soviel zu ihr gesprochen hatte, und auch seine Offenheit und das heitere Lächeln, das sein Gesicht jetzt erhellte, war sie von ihm nicht gewohnt. Sein tiefer christlicher Glaube und seine Entscheidung, auf das weltliche Leben zu verzichten und nur noch für Gott zu leben, war ihr völlig fremd, und während sie noch nach Worten suchte, um ihm ihre Gedanken mitzuteilen, ertönte vom Hof das Bellen der Hunde und die barsche Stimme von Chuonrad, der nach seiner Frau rief.
    Die Jäger waren zurückgekehrt, früher als erwartet, und Richlint eilte sofort zur Gartentür, um dem Ruf ihres Mannes zu gehorchen. Doch ihr Bruder hielt sie am Umhang fest und drehte sie zu sich. „Richlint, ich will dir noch etwas sagen! Du bist bis heute kinderlos geblieben, und es geht das Gerücht, daß Chuonrad dich verstoßen wird, wenn du ihm nicht bald einen Erben gebärst! Du sollst

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