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Mein Name ist Toastbrot (German Edition)

Mein Name ist Toastbrot (German Edition)

Titel: Mein Name ist Toastbrot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dino Capovilla
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in denen das Leben so unendlich schräg und kompliziert erscheint. Ich konnte nur schweigen. Dies war zweifellos auf dem Misthaufen dieses Monologs gewachsen. Ich nehme an, dass er sich so brutal auf mich eingeschossen hatte, da die anderen in der Wohngemeinschaft nicht ansprechbar waren. Der Drecksack an Junkie in meinem Zimmer hatte offenbar seinen Vorrat in meiner Matratze versteckt, was mir sehr bekannt vorkam. Noch mehr als jeder andere litt ich unter dem Chaos, dass dieses Subjekt in meinem Zimmer verursachte. Was mich aber rasend machte, war die Behauptung, dass ich zu affektiven Straftatenneige, was im Jargon der Psychoexperten heißt, dass man ein potentieller Amokläufer ist.
    Jeder Mensch hat seine Geschichte und Selbstmordgedanken waren mir vertraut. In diesem Moment packte mich eine Mordslust, diesem Monolog etwas anzutun. Ich dachte, wenn man sich schon unaufgefordert aus dem Staub machen will, dann bitte sehr still und leise, ohne eine Sauerei, wie beispielsweise mein Vater, anzurichten. Wenn man sich selbst schon für so unnötig und überflüssig hält, dass man nicht mehr leben will, kann man auch auf diesen letzten Akt der Aufmerksamkeit verzichten.
    Mich erfasste eine unbändige Wut und ich spürte, wie diese Wut durch mein Blut in jede noch so kleine Ecke meines Körpers gespült wurde. Mir fuhr die Erinnerung an eines der alten Gutachten in die Glieder, indem mir mangelndes Schuldbewusstsein attestiert wurde. Was hätte ich anders machen sollen und können? Lag es wirklich an mir? Nein, es lag an diesem Wichser, mit dem ich mein Zimmer teilen musste. Es lag an diesem Kaspar, der mein Gefühl mit solcher Gewalt zertrampelt hatte und dann wie ein Hund am Knochen des schlechten Gewissens nagte. Es war dieser Herr Monolog, der vermutlich zu früh abgestillt wurde und unter Wasser anstatt unter die Leute gehen sollte. Ich war für mein ausschweifendes Liebesleben zuständig, was ich damals wie heute weder amoralisch, noch unrecht finde. Erneut war ich zum Spielball der Gleichgültigkeit geworden, dem es nicht gelang, seine Zielscheibe auf dem Hintern zu verbergen. Menschen, wie ich, scheinen schlicht und einfach zur Kompensation der Selbstzweifel anderer geschaffen zu sein.
    Ich lernte, dass es nichts Schlimmeres gibt, als mit Macht ausgestattete empathielose Ignoranten. Ich lernte auch, dass Hilflosigkeit das schlimmste der Gefühle ist, das man empfinden kann. Im ganzen Körper spürte ich dieses entsetzliche Pochen, sogar meine Prothese schien plötzlich mit Leben erfüllt. Ich erhob mich langsam und bedacht und dann geschah etwas Unerwartetes. Mich durchzog ein kühler Hauch von Kopf bis Fuß und die Wut war verschwunden und wich einer weichen Ruhe. Was war das? Hatte ich gerade meinen Körper verlassen und war gestorben? Ich holte vier Gläser ausdem Küchenschrank und ein Tetrapack Orangensaft aus dem Kühlschrank. Bedacht setzte ich mich, verteilte die Gläser und blickte in die verdutzten Gesichter der Schafherde, die vor mir saß.
    „Meine Herren darf ich ihnen etwas zu Trinken anbieten?“
    „Äh, ja gerne.“
    „Bis wann soll ich mich fertigmachen.“
    „David, verstehe doch, dass wir auf deiner Seite stehen und nur dein Bestes wollen. Wir möchten dir noch eine Chance geben, in der du dich bewähren kannst. Dies knüpfen wir allerdings an die Bedingung, dass du dich einer ärztlichen Untersuchung zum Ausschluss einer Suchterkrankung unterziehst und ein Aktivitätsjournal führst.“
    „Ja, mein Verhalten tut mir leid. Vielen Dank für die Chance, die sie mir geben. Ich werden sie zu nutzen wissen. Bitte geben sie mir die Anschrift des Arztes, bei dem ich natürlich so bald wie möglich vorsprechen werde.“
    „Bitte nimm diesen Brief mit und gib dann das Gutachten an deinen Betreuer weiter. Sollte der Test negativ ausfallen, sind wir hier durch.“
    „Prima. Leider muss ich noch für die Schule lernen. Ich möchte Sie deshalb bitten, mich zu entschuldigen.“
    „Gerne. Danke für das nette Gespräch.“
    Eine Woche später hatte ich meinen negativen Befund eingereicht, was den Fokus auf meinen Zimmermitbewohner lenkte. Herr Monolog zeigte seit meinem negativen Befund etwas mehr Zurückhaltung mir gegenüber, ich schloss daraus, dass dies auch für ihn Ärger gegeben hatte. Der Junkie zog aus, wurde abgeholt, vermutlich nach der Flucht aus einer Entzugsklinik irgendwo mit einer Überdosis im Straßengraben gefunden und verscharrt. Ich weiß es nicht.
    Die neu gewonnene Freiheit

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