Mein Name ist Toastbrot (German Edition)
vor ein paar Jahren meine Großmutter, kurz bevor sie starb. In einem Brief hatte meine Mutter alle Einzelheiten beschrieben, als sie begriffen hatte, dass sie keine Zukunft mehr erwarten konnte.“
„Dann müsste aber doch der Brief eine Gefahr darstellen, wenn da alles drinnen steht?“
„Nein, vorsorglich hat meine Mutter diesen mit einer Schreibmaschine getippt und als Kopie weitergereicht, was die Beweiskraft vor Gericht und die Gefahr für mich aufhob. Der Brief liegt in meinem Nachtschrank.“
„Wirklich glauben kann ich diese Geschichte nicht. Das klingt ja wie ein Hollywoodstreifen aus den 1970ern.Wahrscheinlich verarschst du mich schon wieder.“
„Nein, glaub mir, ich verarsch dich nicht. Lies den Brief und prüfe meinetwegen die Fakten. Hier im Regal findest du einige Bücher zu dem Thema. Beweisen kann ich nichts, denn genau das war meine Lebensversicherung.“
„Und warum bist du dann hier. Im Krankenhaus hätte man dich ja wohl kaum für irre erklärt, sondern zur Adoption freigegeben. Wenn du nicht mal zwei Jahre alt gewesen bist, hätte das ohne Weiteres geklappt.“
„Ja genau. Ich wurde auch adoptiert und trage deshalb nicht mehr den italienischen Namen meines Vaters, sondern einen ganz gewöhnlichen deutschen Namen.“
„Gut das leuchtet ein. Und warum bist du dann hier? Bald mal ich mir ein Schild mit der Frage, dann muss ich sie nicht jedes Mal neu stellen.“
„Toast, lass uns schlafen gehen. Der Sekt ist alle, ich bin müde und morgen müssen wir wieder in die Schule. Den Rest erzähle ich dir, sobald du mir deine Geschichte erzählt hast.“
Irgendwie beeindruckte mich Connys Geschichte nur inhaltlich. Von den Geschehnissen blieb er als zweijähriger mehr oder weniger unberührt, da seine Erinnerung nicht in die Zeit davor zurückreichte. Das passt auch zu seinem Wesen, denn seine Stärke konnte er kaum im Zustand der Angst und Hilflosigkeit ausbilden. Vielleicht war es aber auch eine bloße Fassade. Menschen mit ausgeprägtem Selbstwertgefühl zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie sich ihren Wert nicht andauernd beweisen müssen. Wahre Helden freuen sich im Stillen und wahre Götter heben sich irgendwann selbst auf. Hesses Siddhartha lässt grüßen. Wenn wir unser Selbstbild unabhängig von anderen Menschen bauen sollen und uns das gelingt, dann sind wir bald ein solcher Gott, allerdings ein verdammt einsamer. Auch Sexdoc vertrat die These, dass Identität die Vereinigung von Handlung und Urteil bedeutet und nun folgte auch Conny diesem ausgetreten Weg. Nein, das überzeugte mich nicht. Vielleicht würden wir irgendwann unser Selbst freilegen, wenn wir die Masken unseres sozialen Lebens ablegten. Könnte dieses pure Wesen aber noch glücklich sein? Erfordert Glück nicht ein bestimmtes Maß an Betrug am Anderen und an sich selbst? Ja, so stark war Conny gar nicht.Stärke macht unantastbar, schützt vor dem Leben und der Liebe, vor Glück und Unglück.
„Conny, darf ich zu dir ins Bettchen kommen?“
„Nein. Gute Nacht.“
Der zweite Korb in meinem Leben war weit schmerzhafter als der Erste, den ich von Herr Kaspar kassiert hatte. Die Mathestunde am nächsten Tag ließ mich das erneut durchleben. Nach der Stunde bat mich Herr Kaspar, bei ihm nach Unterrichtsende im Sprechzimmer vorbei zu schauen. Er möchte mit mir über eine Teilnahme an der Mathematikolympiade reden.
Bei dieser Veranstaltung treffen sich Heranwachsende in meinem Alter, um sich eine Woche lang in Klausur mit Mathematikproblemen zu befassen. Wenn man so, wie ich eine Vorliebe für Pobacken und Schwänze hat, sich hin und wieder einen in die Laterne gießt und die Schönheit dieser Welt im Kunstwerk des männlichen Körpers und nicht in mathematischen Gleichungen sieht, stellen solche Veranstaltungen einen Vorhof der Hölle dar.
Bei den Castingshows im Fernsehen scheinen Talent und Schönheit irgendwie immer zusammenzufallen, bei Mathematikern ist das nicht so, was zum einen zwar gerechter, aber zum anderen für mich unbefriedigend ist. Jungs, die an so etwas teilnehmen, zählen in der Regel zu den Hochbegabten, denen man die Jugend abspricht und die mit 16 an einer Uni eingeschrieben werden können. Auch wenn mir klar war, dass die Mathematik-Olympiade auch ohne mich stattfinden würde, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, zu dem Treffen zu gehen.
Im Sprechzimmer saß Conny, lässig wie immer, die Beine auf der Tischkante mit dem gleichen überraschten Gesichtsausdruck wie
Weitere Kostenlose Bücher