Mein Name ist Toastbrot (German Edition)
Toast, jeder hier drinnen ist genau wie du bemüht, nicht aufzufallen. Jeder will normal sein, normal leben und ganz normal sterben.“
Irgendwie konnte Conny meine Gedanken lesen, was mich komischerweise überhaupt nicht verwunderte. An der Kasse angekommen, begann der Verkäufer zu grinsen.
„Darf ich auch ein Stück mitfahren?“
„Gerne, Toast mach für die Zuckerschnecke platz!“
„Oh wie schön.“
„Sag mal Süßer, dürfen wir uns den Wagen borgen, wir wohnen hier gleich um die Ecke.“
Der Verkäufer nickte halb verblüfft, halb verliebt und schon folgten wir dem Transporter Richtung Wohngemeinschaft.
Conny hat eine Art, Menschen für sich einzunehmen, die mir vollkommen fremd war. Zum einen schien er frei von Vorurteilen zu sein und zum anderen traf er immer genau den angemessenen Ton. Beides ist natürlich nur Schein, denn kein Mensch ist frei von Vorurteilen und den Ton traf er nur, weil eine gewisse Spontaneität Menschen dazu bewegt sich dem Ton des anderen anzupassen.
Während des Schleppens fragte ich ihn:
„Was haben wir denn da überhaupt gekauft und wo genau möchtest du das in unserem winzig kleinen Zimmer unterbringen?“
„Na, jetzt hab mal ein wenig Geduld. Ich bin ein Sammler. Ich sammle Menschenknochen, die ich fachgerechtkonserviere, ordne und beschrifte. Die Regale, die wir gerade schleppen, haben wir für die Lagerung besorgt.“
„Ähm, da fehlen mir jetzt die Worte. Ist das der Grund, weshalb man dich zu uns in die Irrenwohngemeinschaft gesteckt hat?“
„Nein, das ist ja nur eine kleine Sammlerleidenschaft.“
„Hey, das ist ganz schön unheimlich und ich sehe gerade meinen Schädel neben dem Schlüsselbein eines Unglücklichen in deinem Regal stehen.“
„Nein, keine Sorge. Dein Kopf bleibt auf deinem Hals.“
„Mein Füßchen im Essiggurkenglas würde da sicher gut ins Bild passen. Zu blöd, dass ich es nicht mehr habe.“
„Du meinst das, was am Stumpf hing?“
„Ja genau. Wie viele solche Knochen hast du denn?“
„Na die ganzen Kisten, die wir gestern hochgeschleppt haben, sind voll, oder warum glaubst du war das so schwer? Mein restliches Eigentum habe ich ja im Rucksack mitgebracht und gestern, während du geduscht hast, in den freien Schrank geräumt.“
Was für ein guter, aber total unnötiger Versuch das Thema zu wechseln. Unnötig, da mein Gesprächsfluss bis auf Weiteres gehemmt und unterbrochen war.
Nun war ich bedient und zog mich in die Küche zurück. Ich schlug ihm vor, dass ich etwas kochen würde, während er mit der Montage des Regals beginnen könne. Während ich das Salzwasser zum Kochen brachte und in einer Pfanne die Zwiebeln und getrocknete Tomaten andünstete, Knoblauch hackte und Kräuter aus dem Blumenkasten vom Balkon holte, hörte ich den Bohrer, wie er sich seinen Weg in die Wand grub. Wo er diesen Bohrer hervorgezaubert hatte, wusste ich nicht, aber man konnte ihm sicher nicht vorwerfen, dass er nicht an alles denken würde.
Eine halbe Stunde später saßen wir zu Tisch und machten uns über die Spaghetti her. Voll des Lobes verschlang er gleich zwei Teller voll und stellte anschließend eine Mokkamaschine auf den Herd, mit der er uns zwei Espressi aufdampfte.
Zurück im Zimmer half ich ihm notgedrungen seine zwei Regale fest zu verschrauben, gefangen von dem Gefühl, dass ich mich jetzt selbst mitschuldig machen würde.
„So das haben wir geschafft. Wollen wir mit den Knochen aus dem 16. Jahrhundert anfangen, oder doch lieber die aus der Zeit vor Christi Geburt?“
„Öhm, keine Ahnung.“
„Gut, dann fangen wir mit den antiken Knochen an.“
Er wuchtete den ersten Karton auf den Schreibtisch, schnitt das Klebeband durch und kippte einen Haufen Bücher auf den Tisch.
„Bücher?“
„Ja, du glaubtest doch nicht wirklich, dass ich ein Knochensammler bin, oder?“
„Ähm, ein klein wenig hab ich das jetzt schon geglaubt.“
„Du bist ja mal einfältig und ich hab mich schon gewundert, dass du nicht nachfragst. Sorry! Bücher sind die Gebeine unserer Zivilisation. Sie sind das, was leben wird, bis die Kultur selbst stirbt.“
„Schon gut, die Erleichterung überwiegt den Ärger du Blödmann.“
„Das sind Euklids Elemente. Geschrieben etwa 300 Jahre vor Christi Geburt und das wohl am meisten gelesene mathematische Werk. Das ist Platons Staat, die Grundlage für die moderne Eugenik, für die Emanzipation und die Klassengesellschaft.“
So reichte er mir Buch für Buch, während ich diese nach seinen
Weitere Kostenlose Bücher