Mein Name ist Toastbrot (German Edition)
Boxsack zulegen und den kaputtschlagen?“
„So ein Blödsinn. Das ist die Beschäftigungstherapie für ausrangierte Boxer, Türsteher und andere Gewaltpakete. Man kann doch keinem Junkie vom Dope entwöhnen, indem man ihm Dope gibt.“
„Das klingt halt ein klein wenig komisch, wenn das jemand sagt, der gerade beinahe seinem Lehrer den Kopf abgeschnitten hätte.“
„Jetzt übertreib mal nicht. So wie sich das vorhin anhörte, hast du auch eine gewisse Affinität zu Gewalt.“
„Mag sein, aber ich betrachte Gewalt als die allerletzte Handlungsmöglichkeit, wenn alles andere versagt hat.“
„Ja genau. Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt, Pipi Langstrumpf. Das Ganze ist schon etwas heikler. Wir Menschen wachsen durch andere Menschen, die uns respektieren, anerkennen und sich mit uns freuen. Ich gehe davon aus, dass es keine Menschen gibt, die nur über Gewalt kommunizieren können. Einige mögen so wirken, aber nur, weil man ihnen nie Alternativen aufgezeigt hat. Wie glaubhaft ist so ein Gewaltsportler, der erklärt, man könne über alles reden? Warum betreibt er überhaupt seinen Sport, wenn Gewalt keine Lösung ist? Ganz normal ist es schließlich nicht, dass man sich in einem Ring die Birne bis zum Parkinson weich prügelt.“
„Und was schlägst du vor? Ist es besser, wenn man die Verlorenen in Kochschulen schickt und über die Glotze gewinnbringend vermarktet?“
„Nein. Man sollte sie einfach von Egomanen und Gewaltmenschen fernhalten und sie stattdessen mit Menschen zusammenbringen, die sie leben lehren können.“
„Du meinst, diese Gutmenschen können sie dann sanftermachen, damit sie morgen die Welt gerecht finden und schweigen, wenn das vorübergehend nicht so ist?“
„So einfach ist das nicht. Leider gehört zu jedem ein Stück Konvention dazu. Man muss die Regeln der Gesellschaft kennen, um gegen sie verstoßen zu können. Man muss die Bibel gelesen haben, um sie abzulehnen und man muss gute Noten haben, um lauthals glaubhaft gegen Lehrer zu protestieren.“
„Du meinst also, dass man sich so weit dem System anpassen muss, damit es einen nicht fertigmachen kann?“
„Ja so in etwa. Als Bettler kann man schlecht den Kapitalismus kritisieren.“
„Und so etwas wie Prinzipien gibt es in deiner Welt nicht?“
„Doch, aber wie Adorno schon sagte. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.“
„Toll. Ich hab auch versucht Adorno zu lesen, aber der schreibt mir zu kompliziert. Ich hab nicht mal die ersten paar Seiten verstanden.“
„Ich auch nicht, aber den Satz finde ich trotzdem gut.“
„Wir geben dann einfach eine Anzeige auf, dass wir Gutmenschen suchen, die gewaltbereite Jugendliche auf den rechten Weg führen. Melden würde sich wohl keiner.“
„Doch ein paar Pfaffen, wenn du ein Foto abdrucken lässt.“
„Scherzkeks. Erzähl mir lieber mehr über deine Adoptiveltern.“
„Stimmt. Helene hatte ein unstillbares Verlangen zu leiden. Der kleinste Anlass war für sie Grund genug loszuheulen und sich selbst zum Opfer aller kriegerischen Konflikte weltweit zu erheben. Ich musste ein braves Kind sein. Die Alternative Geheule, Selbstmorddrohungen und die Predigten ihrer unerträglichen Schwestern.“
„Oh das kenne ich gut. Ich musste mich immer brav verstellen und durfte nie ich selbst sein. Dann ist man ein gutes Kind.“
„Irgendwann erlitt ihr Vater einen Schlaganfall, was ihn fortan ans Bett fesselte. Sie erkannte ihre neue Aufgabe in der Pflege dieses alten und bis zu diesem Zeitpunkt unbedeutenden Menschen in ihrem Leben. Hier konnte sie all ihre gestaute Liebe loswerden und sich selbst als gute Tochter feiern lassen.Der Schlaganfall hatte ihn übel gezeichnet. Er pisste und schiss in die Windeln, konnte kaum mehr sprechen und war fast vollständig bewegungsunfähig. Trotz intensiver Pflege baute sich sein Körper unaufhaltsam ab, bis sein Gebein nur noch von einer dünnen Haut, die sich wie altes Papier anfühlte, umschlossen war.“
„Der Arme. Hat der das alles bewusst mitgekriegt?“
„Nein. Geistig war der Alte schon seit seinem Anfall hinüber, aber er wollte einfach nicht sterben. Seine Schmerzen nahmen durch den Abbau des Körpergewebes ständig zu und irgendwann half auch das Morphin nicht mehr. Nach zwei Jahren sah auch Helene ein, dass dies nicht so weitergehen könne. Sie überdosierte das Morphium und ließ ihn einschlafen.“
„Ein vertretbarer Fall von Sterbehilfe?“
„Ja durchaus. Ihre verrückten Schwestern setzten nun aber
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