Mein Name ist Toastbrot (German Edition)
packte mich plötzlich Connys Stimme und riss mich unvermittelt aus dieser Welt in die Wirklichkeit zurück.
„Sorry, das war wohl zu früh.“
Aller Anfang ist schwer. Ich musste mich selbst erlösen, denn ich hatte das Gefühl andernfalls nicht weiterleben zu können. Gibt es nach dem Sex etwas Geileres als diesen dünnen, zart duftenden Schweißfilm vom Körper des anderen zu lecken? Nein, gibt es nicht. Das sind die Momente, in denen man sich einen möglichst großen, dicken Schatz wünscht, der möglichst viel Haut hat.
Unsere nächsten Versuche wurden sextechnisch ebenso wenig von imposanten Erfolgen gekrönt. Ich wollte ihm den anfänglichen Penetrationsschmerz ersparen und überlies ihm den aktiven Part. Als das Kondom endlich saß und sein Schwanz meinem Hintern erblickte, erschrak sein Pimmel dermaßen, dass er wieder klein und niedlich wurde. Eine ganze Kondompackung später vertagten wir das Vorhaben und versuchten es andersrum. Wie erwartet war das durch den ungewohnten Schmerz nicht weniger kompliziert, wenn auch hinsichtlich der Kondome deutlich ökonomischer.
Das ist der Preis für die Tabuisierung der Sexualität in der Schule. Im Biounterricht lernt man, was ohnehin offensichtlich ist. Das, was zählt, spart man aus. Wahrscheinlich haben Lehrer Angst, ihre Schüler als sexuelle Wesen begreifen zu müssen, was sie ja ohne Zweifel sind. Als Folge bleiben wir mit unserer Verwunderung allein, die sich aus dem Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit ergibt, entwickeln Versagensängste und Selbstzweifel.
Das Prinzip der Standhaftigkeit lässt sich ganz einfach zusammenfassen. Zweifelt man daran, dass er im richtigen Moment hart genug ist, wird er genau im falschen Momentweich. Leider ist genau dieser Gedanke ursächlich für den Zweifel. Zweifel sind bei den meisten Menschen ein Zeichen für Intelligenz und Empathie. Klappt es also nicht sofort, ist das ein Zeichen für guten Geschmack. Der Lebenskünstler zeichnet sich dadurch aus, dass er sich die Welt ins Positive biegt. Liebe ist der Vorzug, Peinliches gemeinsam empfinden zu können und es so nach einiger Zeit zu überwinden. Kaum eine Woche später funktionierten beide Richtungen prächtig und wir hatten unbeschreiblich geilen Sex, so unbeschreiblich geil, dass man ihn nicht beschreiben kann.
Es folgten Monate der Muße. Wir teilten uns die Gedanken der großen Denker, suchten nach Erkenntnis und fanden uns selbst zwischen diversen Buchdeckeln wieder. Wir fragten nach dem Sinn des Lebens, nach Freiheit, Angst und Tod und natürlich nach der Liebe. Wir wollten wissen, was und warum wir waren. Wir hatten uns selbst eine Zeit lang als atheistische Existenzialisten betrachtet, auch wenn wir die Thesen von Sartre und Camus nicht vollständig teilten. Wir sehen uns als die Summe der Gedanken die andere über uns denken und gestehen uns die existenzialistische Freiheit zu, trotzdem ungebunden zu handeln. Genau diese Freiheit ist bedroht, denn das innere Ideal frei zu handeln, scheitert am Soma in der Realität.
In Huxleys „Schöne neue Welt“, ist die Droge Soma ein synthetisch hergestellter Stimmungsaufheller, der durch regelmäßige Einnahme Gefühlsschwankungen glätten und negative Empfindungen hemmen soll. Die Abwesenheit negativer Gefühle betäubt die Menschen und hindert sie am agieren. Das Medikament Soma, dass wir heute Antidepressiva nennen, ist nur ein Teil der gigantischen Betäubungsmaschinerie.
Was würde geschehen, wenn unser Wahrnehmungsapparat nicht schon von der Wiege an dauerbespaßt würde? Was wäre, wenn wir Menschen agieren und nicht bloß reagieren würden? Stellen wir uns eine Welt ohne die ständigen Stimuli über alle Sinneskanäle vor. Unsere Ohren hören diese Welt und sind nicht durch Stöpsel möglichst luftdicht nach Außen abgeschlossen. In Bäckereien riechen wir frisches oder weniger frisches Brot und keine künstlichen Aromen. In den Bahnhöfengibt es keine Beamerleinwände, die unsere Blicke fixieren und so vom Rest der Welt ablenken. In dieser Welt müssten wir suchen statt einfach nur finden. Wir müssten Denken bevor wir handeln und wir müssten eine Meinung haben. Ich hasse Menschen ohne Meinung und ich bin stolzer Utopist.
Unser Gefühl endlich angekommen zu sein und das Verlangen in diesem Zustand mehrere Ewigkeiten verweilen zu wollen, wurde abrupt beendet. Der Tod war über unsere Türschwelle getreten und streckte seinen kalten Finger aus. Praktisch war es natürlich nicht der Tod,
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