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Mein Name war Judas

Mein Name war Judas

Titel: Mein Name war Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. K. Stead
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zwei seiner Schwestern. Die Leute tuschelten miteinander und zeigten auf die jungen Mädchen.
    Jesus beendete die Lesung, verbeugte sich vor dem Rabbi und setzte sich. Die Gemeinde war beeindruckt. Er hatte sich Respekt verschafft, aber das war ein zweischneidiges Schwert. Er musste Bescheidenheit an den Tag legen, um ihn nicht wieder zu verlieren, und das war nicht seine Stärke, schon gar nicht, wenn er gekommen war, um zu predigen.
    Der Rabbi dankte ihm für die Lesung und forderte ihn auf, den gewählten Text für die versammelte Gemeinde auszulegen.
    Jesus saß mit gesenktem Kopf da und betete, dann erhob er sich. Er sah sich unter den Dorfbewohnern um, die er gut genug kannte, um ihre Stimmung und ihre Erwartungen zu erfassen. »Hier und heute in Nazareth«, sagte er, »haben sich diese Verheißungen bereits erfüllt. Ich bin gekommen, weil ich euch das verkünden soll.«
    Seine Stimme war immer noch klangvoll, aber nicht mehr so warm und freundlich. Stattdessen machte er seine Autorität geltend. Die Gemeinde reagierte sofort, und zwar irritiert. Ich hörte einen Mann fragen, ob er etwa behaupten wolle, Gott habe ihn mit dieser Ansprache beauftragt. Ein anderer sagte, Josef solle ihm lieber einen Hammer in die Hand drücken, damit er ehrliche Arbeit verrichten könne.
    Jesus sah den Rabbi an. »Soll ich fortfahren?«
    »Bitte«, sagte der Rabbi. »Fahre fort.«
    Jesus stützte einen Arm auf das Lesepult und beugte sich vor. »Der Text war nicht von mir, aber vielleicht ist es eine gute Gelegenheit, um euch an den Propheten Elia zu erinnern, der weder die ihm gebührende Anerkennung noch Unterkunft oder Schutz in seinem Heimatland fand, sodass er Israel verlassen und ins Land unserer Feinde ziehen musste, ehe er jemanden fand, der ihn aufnahm, nämlich eine Witwe, die Gott dann für ihre Güte segnete. Auch sollte ich euch erinnern, dass Gott zur Strafe für das Unrecht, das Elia widerfuhr, sein Heimatland, unser Heimatland, mit einer dreijährigen Dürre überzog. Die Ernte verdorrte. Das Vieh verendete. Im ersten Jahr wurde das Geld knapp, im zweiten hungerten die Menschen, und im dritten starben sie dahin.«
    Dann brachte er ein zweites Beispiel für einen Propheten, der in seinem Heimatland nichts gegolten hatte, aber inzwischen hörte ihm keiner mehr zu. Es gab Zwischenrufe. Was glaubte er, wer er sei? Der Rabbi sorgte für Ruhe. Andreas, der in der ersten Reihe saß, stand auf, drehte sich um und rief der aufgebrachten Menge zu: »Bitte, Freunde! Ich bitte euch, lasst ihn sprechen!«
    Doch Jesus bahnte sich bereits einen Weg durch die Menge, die ihm nachrief, er solle fortgehen und Nazareth mit seinen Reden verschonen. Jemand rempelte ihn an, als er vorbeiging. Er strauchelte, fing sich wieder und setzte seinen Weg fort. Ich schaute zu seinen Schwestern hinüber und sah sie vor Scham weinen.
    Ich folgte ihm auf den kleinen Platz vor der Synagoge und lief hinter ihm her, bis ich ihn ein paar Straßen weiter einholte. Er war immer noch wütend und ging schnellen Schritts. Als er meine Stimme hörte, blieb er stehen und drehte sich um.
    Ich legte ihm einen Arm um die Schulter.
    Er rang sich ein Lächeln ab und sagte: »Ich war nicht besonders gut.«
    Das stimmte, aber es war nicht der Moment, ihm das zu sagen. Ich drückte ihn freundschaftlich. »Du bist ein wunderbarer Vorleser und hast nichts als die Wahrheit gesagt.«
    Ich begleitete ihn ein Stück. Bald kamen wir ans Ende des Dorfes. »Heimat ist, wo der Hass wohnt«, sagte er. »Ich werde nicht zurückkehren. Nie mehr.«
    Wir kamen zu den Höhlen, in denen wir als Kinder oft gespielt hatten. Ich wusste nicht, wohin er gehen wollte, und er wusste es ebenso wenig. Erst nach einer ganzen Weile blieb er wieder stehen. Dieses Mal griff er nach meinem Arm und sah mir in die Augen. »Komm mit mir«, sagte er.
    »Wohin?«
    »Frag nicht, wohin, Judas. Komm einfach mit.«
    Ich habe gehört, dass andere Jünger sich ohne zu zögern zu diesem Schritt entschieden, als er sie fragte. Manche, heißt es, hatten alles stehen und liegen lassen, um ihm zu folgen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, und ich hätte mit Sicherheit nicht so reagiert, wäre ich nicht so sehr in meinen Schmerz verstrickt gewesen – einen Schmerz, den nur er lindern konnte. Aber so standen die Dinge nun einmal, und so lag meine Entscheidung auf der Hand. In diesem Moment entschied sich, wie ich die nächsten Jahre verbringen würde.
    »Gut«, sagte ich.
    Er umarmte mich, und wir ließen Nazareth

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