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Mein Name war Judas

Mein Name war Judas

Titel: Mein Name war Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. K. Stead
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hinter uns, ohne uns noch einmal umzusehen.
    Nichts schmerzt so sehr
    wie die erste Liebe,
    der erste Tod.
    In ihrem Grab
    auch das Grab
    unseres Kindes, unserer Hoffnung.
    Ich ersehnte den Tod,
    obschon sie dadurch
    nicht wiederkehrte.
    Ersehnte auch das Leben,
    doch nur mit ihr
    und unsrem Kind.
    So dumm meine Tränen,
    als sei mein Schmerz
    neu in der Welt.
    Jesus linderte
    meinen Schmerz. Er
    rief, ich folgte.

Kapitel 10
    Im Laufe des folgenden Jahres entwickelte Jesus sein Können als Redner zu wahrer Meisterschaft, und sein Ruhm verbreitete sich rapide. Wir waren eigentlich immer unterwegs, aber das Haus von Simon Petrus in Kapernaum war für uns eine Art Hauptquartier. Seit Jesu erstem Besuch stand dort stets ein Zimmer für ihn bereit. Damals hatte er gehört, dass Petrus’ Schwiegermutter todkrank war, und er war herbeigeeilt und hatte sie geheilt.
    In Kapernaum gibt es Quellen, die an den unterschiedlichsten Stellen aus den Felsen und der Erde sprudeln, und eine befand sich in einer Grotte neben Petrus’ Haus. Damals hatte Jesus das feuchte Tuch genommen, das Petrus’ Frau ihrer Mutter auf die Stirn gelegt hatte, war in die Grotte gegangen und hatte es im kühlen Wasser getränkt. Es ist eine sehr schöne Grotte. Das Wasser rinnt durch den Farn, der über die Felsen wuchert, und sammelt sich in einer kristallklaren Vertiefung aus weißen Kieselsteinen. Zwischen den Steinen standen einige Weinkrüge zum Kühlen.
    Jesus blieb ein paar Minuten dort, hörte dem Wasser zu, meditierte und sprach mit Gott, wie er mir später sagte. »Du brauchst hier drinnen nicht zu beten«, habe Er zu Jesus gesagt. »Du musst nur zuhören. Das Wasser spricht deine Gebete.«
    Jesus nahm das kühle, feuchte Tuch und legte es der Frau wieder auf die Stirn. Sie war sehr schwach und unruhig und atmete schwer. Schon seit Tagen hatte sie weder geschlafen noch gegessen und nur ein paar unzusammenhängende Sätze gesprochen. Doch als Jesus nun bei ihr saß, ihre Hand hielt und ihr die Stirn kühlte, wurde sie zum ersten Mal seit langem ganz ruhig und friedlich. Bald schlief sie ein. Er blieb noch einige Stunden bei ihr sitzen, und als er das Zimmer schließlich verließ, war sie noch nicht wieder aufgewacht. Sie schlief die ganze Nacht durch, bis weit in den nächsten Morgen hinein. Als sie aufwachte, war sie sehr schwach, aber erfrischt, und sie hatte kein Fieber mehr.
    Die Familie, vor allem Petrus’ Frau und die Kranke selbst, hatten nicht gedacht, dass sie noch zu retten war. Sie glaubten, sie hätte nur noch Stunden zu leben. Später sagte die Frau, in ihren Fieberträumen sei sie auf einem dunklen, ruhigen Fluss dahingeglitten, der ins Jenseits führte. Sie habe schon das andere Ufer sehen können, wo lauter weiß gekleidete Gestalten auf sie warteten und wunderschön sangen. Dann plötzlich habe der Bootsmann, der sie übersetzte, einen Ruf vernommen und sei wieder umgekehrt. Jesus, hieß es später, habe ihm zugerufen, er solle sie zum Ufer der Lebenden zurückbringen.
    »Noch nie habe ich erlebt, dass jemand, der dem Tod so nahe war, wieder gesund wird«, sagte Petrus zu allen, die es hören wollten. »Eben noch waren wir dabei, ihr Leichentuch bereitzulegen, und im nächsten Moment stand sie auf. Es war ein Wunder.«
    Überhaupt wurde viel von Wundern geredet, und zu Anfang seiner Predigerzeit war Jesus das noch unangenehm. Einmal sagte beispielsweise jemand zu ihm: »Vor einem Monat hast du mein sterbendes Kind gesegnet, und es wurde gesund.« Und Jesus erwiderte bescheiden: »Das freut mich.«
    Oft bat er die Leute sogar, diese Geschichten von Wunderheilungen nicht ständig zu wiederholen, und ich fragte mich dann, ob er das ernst meinte, denn die Leute hörten ja trotzdem nicht damit auf. Natürlich wurden diese Geschichten wieder und wieder erzählt, und zwar nicht in ihrer ursprünglichen Version, sondern jedes Mal ein wenig reicher ausgeschmückt, bis sie kaum wiederzuerkennen waren. Die Menschen kamen nicht allein zu seinen Predigten, weil er so beredt war, sondern weil sich sein Ruf als Heiler verbreitete.
    Wäre er kein so brillanter Redner gewesen, hätte man ihm seine anderen Fähigkeiten wohl kaum abgenommen, aber wenn man ihn an einem Tag reden hörte, an dem er gut in Form war, traute man ihm einfach alles zu. Er war ein Meister der Worte, der Sprache. Ich habe ihn unzählige Male reden gehört, und doch kam es mir immer wie das erste Mal vor. Er stand ganz ruhig da und wartete, bis der rechte Geist von ihm

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