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Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Mein neues Leben als Mensch (German Edition)

Titel: Mein neues Leben als Mensch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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darauf hinausliefen, dass wir uns eine neue Spüle kaufen mussten. Die aktuellen Modelle sind aber höher als unser bisheriges Küchenmöbel, weil man annimmt, dass die Menschen heute größer sind als vor neun Jahren, was auf Sara und mich zwar nicht zutrifft, aber wir sind nicht maßgeblich für unsere Kaufentscheidungen. Die Tatsache, dass die neue Spüle samt Unterbau zweieinhalb Zentimeter höher ausfiel als der Rest der Küche, verdross uns sehr. Wir haben uns daher für den Kauf einer kompletten neuen Küche entschieden. Sie kommt in ein paar Wochen, und ich freue mich sehr darauf, denn: Diese kleinen Müllbeutel, die ich da neulich gekauft habe, passen mühelos in den viereckigen Rolls-Royce unter den Mülleimern.
     
    Kleine Anmerkung: Lesereisen sind Bildungsreisen. Nachdem ich diese Geschichte in Koblenz vorgelesen hatte, kam ein Mann zu mir und erklärte mir, wie dieses Phänomen tatsächlich heißt: Diderot-Effekt. Es ist nach dem französischen Philosophen Denis Diderot benannt, der sich bereits im achtzehnten Jahrhundert darüber wunderte, dass der Kauf eines Morgenmantels bei ihm mittelfristig zum Erwerb einer neuen Einrichtung führte.

Ein Abend, wie er sein sollte
    Familie zu haben ist ein ziemlich teurer Spaß. Man soll sich nicht darüber beklagen, das ist elend und spießig. Und doch muss man diese Tatsache von Zeit zu Zeit berücksichtigen. Es ist dazu das schöne Bonmot überliefert, man habe sich seinerzeit über die Geburt der Kinder sehr gefreut, obwohl man eine neue Kommode für den Flur entschieden dringender gebraucht hätte. Auf jeden Fall lebt auf größerem Fuße, wer seine Bude nicht mit Kindern und deren Spielsachen, Möbeln sowie Schulfreunden teilen muss.
    Und weil das so ist, gingen wir in den letzten Jahren nicht mehr sehr häufig aus. Schon für einen simplen Kinobesuch muss ein Familienvater heutzutage schwer bemoost sein, besonders wenn die Kids nicht dabei sind, denn dann kommen sofort zwei starke Kostenfaktoren zum Tragen: Babysitter und Abendvergnügungsauslastungsgebühren. Unter Letzterem versteht man sämtliche Zusatzentgelte, die anfallen, wenn ein ausgehungertes Ehepaar auf eine deutsche Innenstadt losgelassen wird. Es geht bei diesen seltenen Vergnügungen nämlich nicht nur ins Kino, sondern vorher oder nachher etwas essen und vorher oder nachher etwas trinken. Hinzu kommen Parkgebühren, Benzinkosten, Trinkgelder und so weiter und so fort. Ein stinknormaler Kinobesuch kostet auf diese Weise ganz schnell, klingeling, hundertzwanzig Euro.
    Wir waren daher sehr froh, als Carla uns eröffnete, wir könnten uns fortan zumindest den Babysitter sparen, denn sie sei nun alt genug, um auf sich und ihren Bruder Nick aufzupassen. Es sei dafür nur eine Aufwandsentschädigung in Höhe von fünf Euro zu zahlen. Sara war begeistert, ich zahlte, wir fuhren in die Stadt. Essen, Kino, Trinken.
    Im Kino hatten wir keinen Handyempfang, was normal, aber beunruhigend ist. Als wir den Saal zwei Stunden später verließen, hatte Sara vier neue Sprachnachrichten in der Mailbox.
    Nachricht eins, 20   :   11 Uhr: «Ja, hallo Mama, hier ist Nick. Wo seid ihr? Bitte ruft mich ganz schnell an. Carla ist eine blöde Kuh, und sie hat gesagt, dass sie der Boss ist. Sie ist nicht der Boss. Du bist der Boss. Ich will Milchreis. Wenn Carla keinen macht, mach ich den selber. Sagst du ihr das? Danke.»
    Aha. Sara ist bei uns der Boss. Das war die eine Info. Die andere lautete: Unsere Kinder planten die Zubereitung glühend heißer Desserts. Man kann sich damit verbrühen. Man kann den Herd ruinieren. Ich geriet in gelinde Aufregung.
    Sara spielte Nachricht Nummer zwei von 21   :   11 Uhr ab: «Hi, hier ist Carla. Sag mal, Mama, kannst du mich mal zurückrufen? Wir finden den Grillanzünder nicht. Okay? Danke, Tschüssi.»
    Waaas? Den Grillanzünder? Was wollten die mit dem Grillanzünder? Milchreis grillen? Vor meinem geistigen Auge lief mein Sohn als menschliche Fackel lachend durch den Garten. Sara ließ Nachricht Nummer drei von 21   :   55 Uhr laufen: «Äh, hallo, wieso geht ihr denn nicht ran? Also jedenfalls haben wir überlegt, dass wir heute draußen schlafen, und da wollte ich nur sagen, dass wir die Matratzen in den Garten ans Lagerfeuer bringen.» ANS LAGERFEUER?
    Ich zog den Autoschlüssel aus der Hosentasche. Eigentlich wollten wir noch in diese Bar, in die wir viel zu selten kommen. Man trifft dort immer Leute, die man mag, und ihre Stimmen sind alle viel tiefer als die

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